1943-1967

Literatur, Kunst, Fotografie

Überblick

Der Kreis - Le Cercle - The Circle verstand sich in erster Linie als Zeitschrift für homoerotische Literatur, homoerotische Kunst und Fotografie. Literarische Texte und Illustrationen bildeten den Hauptteil des Inhalts. Der Kreis war ein Forum homoerotischer Kunst in allen ihren Sparten und Audrucksformen; in dieser Fülle blieb die Zeitschrift bis heute einmalig.

Ziel der Redaktion war es, den meist als Homosexuelle versteckt und isoliert lebenden Abonnenten eine Welt zu öffnen, in der ihr Fühlen zum Ausdruck kommt und gestaltet wird, nicht kitschig oder anrüchig, sondern auf einwandfreie, künstlerisch hochstehende und auch in der Öffentlichkeit vertretbare Weise.

Einerseits galt es zu dokumentieren, dass "unsere Minderheit" allgemein anerkannte Werke geschaffen hatte und das auch heute noch tut. Die meisten Abonnenten waren keine Akademiker. Man wollte ihnen Anstösse geben, Bildung fördern und dem latenten sich minderwertig Fühlen engtgegenwirken.

Dazu gehörten auch regelmässige Angebote für kreatives Schaffen. Es sollten Kräfte geweckt werden, die eigene Situation, das eigene Erleben schöpferisch zu gestalten. Beiträge von Abonnenten wurden in der Zeitschrift veröffentlicht. Es gab Wettbewerbe für Kurzgeschichten und Aufforderungen, selbst "geschossene" Männerportraits einzusenden.

In den folgenden Kapiteln kommen die drei Bereiche einzeln zur Darstellung.

Literatur umfasste auch Lebensbilder bekannter und unbekannter Homoeroten. Die grosse Fülle wurde hier gegliedert und erscheint beschränkt auf Hinweise und Würdigungen, wobei Quellenangaben zum jeweiligen Kreis-Heft das Nachschlagen der Originaltexte ermöglichen (sie befinden sich in einschlägigen Bibliotheken und im Schwulenarchiv, sas - und es besteht das Projekt, sämtliche Kreis-Nummern elektronisch verfügbar zu machen).

Ähnliches gilt für den Bereich Kunst. Mit wenigen Ausnahmen sind lediglich die Namen einzelner Künstler angegeben. Die Reproduktionen und Besprechungen ihrer Werke können in den hinzugesetzten Nummern der Kreis-Ausgaben nachgeschlagen werden.

Auch der Bereich Fotografie ist in analoger Weise behandelt.

Mit je einem Exkurs hervorgehoben wurden sowohl der Schriftsteller und Theaterautor Jean Genet wie die Künstler und Dichter Jean Cocteau und Raoul Gérard Doscot. Ihr Leben und Werk, entsprechend einer bestimmten Tradition in der französischen Literatur (man denke an François Villon, Charles Baudelaire u.a.), war deutlich unbürgerlich und avantgardistisch. Und die beiden Männer Genet und Cocteau lebten zudem offen homosexuell.

Sie und ihre Werke erlangten darum grosse Bedeutung besonders in den Jahren vor der Schwulenbefreiung. Sie waren Ikonen der Sehnsucht und Beispiele kompromisslosen Daseins und Schaffens jenseits der üblichen, die meisten Menschen dominierenden Normen. Dank Eugen Laubachers / Charles Weltis aufgeschlossener Haltung als Redaktor des französischen Teils gehörte der Kreis zu den wenigen Publikationen ausserhalb Frankreichs, die lange vor den meisten anderen auf diese Künstler und Autoren hinwiesen und ihren Werken Raum gaben.

Ein grosser Meister der Fotografie gehört ebenfalls dazu: Der bekannte US-Amerikaner George Platt Lynes. Ihm sind Teile von "Homoerotische Fotografie" und die ersten drei Kapitel in "Fotobände" gewidmet. Denn nur der Kreis bot diesem Künstler die lange vergeblich gesuchte Plattform zur Veröffentlichung seiner einmaligen Inszenierungen des männlichen Körpers.

Ein dritter Exkurs behandelt die Bestrebungen der Redaktion zur Förderung von kreativem Schaffen unter den Abonnenten: Die Preisausschreiben. Eine für den Kreis typische Aktion, wie sie keine andere Zeitschrift für Homosexuelle angeboten und durchgeführt hat.

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Ernst Ostertag, Juli 2012

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