1985

Jahresbericht

...und Aufruf zu "Safer Sex"

Aus dem Jahresbericht des Vorstandes - Kontakt zum BAG (Bundesamt für Gesundheitswesen):

"Roger Staub vertritt die AHS (Aids-Hilfe Schweiz) in der eidgenössischen Fachkommission für Aids-Fragen. Seit September findet jeden Monat ein Gespräch zwischen dem Vorstand (2 Vertreter) und dem BAG (Prof. Roos, Dr. Somaini, weitere Mitarbeiter des BAG) statt. Diese Sitzungen werden durchwegs von einem freundschaftlichen, offenen Vertrauensverhältnis geprägt. Für den Routinekontakt [...] sind Roger Staub und Dr. Somaini verantwortlich."

Öffentliche Auftritte:

"[...] André Ratti hat die AHS im 'Internationalen Frühschoppen', im Radio 24 (Sendung Doppelpunkt) vertreten und im Laufe des Jahres verschiedene Interviews gegeben."

Broschüren:

"[...] Total wurden über 1000 schriftliche Anfragen um Zustellung von Dokumentationsmaterial von Privatpersonen und öffentlichen Stellen und Spitälern erledigt. Bestellungen erreichten uns aus dem ganzen europäischen Raum und auch aus Übersee (USA, Brasilien, Philippinen). [...]"

Kontakte zu Behörden / Interventionen des Vorstandes:

"[...] Um Diskriminierungen und Ausgrenzungen zu verhindern und um das Gespräch zu suchen, sind namentlich Kontakte mit der Vereinigung der Schweizer Zahnärzte, dem Stadtarzt von Zürich und dem BASAN (Aids und Armee) aufgenommen worden. Der Vorstand ist bei jeder ihm mitgeteilten Diskriminierung oder Ausgrenzung aktiv geworden. Der Vorstand betrachtet die Situation in der Schweiz als Ganzes recht positiv, doch heisst es weiterhin sehr achtsam zu bleiben, denn die immer noch vorhandenen Ängste in der Bevölkerung können weiterhin zu falschen Reaktionen führen. Es gilt auch nicht zu vergessen, dass für viele Personen in der Schweiz Homosexualität und Aids in verhängnisvoller Weise verknüpft wird."

Prävention:

"[...] Im Drogenbereich hat der Vorstand andere Organisationen bei Vorstössen zur Spritzenfreigabe unterstützt. Das Gespräch mit dem Verein Schweizer Drogenfachleute (VSD) ist mit der Aufnahme des VSD in die AHS aufgenommen worden."

Finanzierung durch das BAG:

"[...] Für den Rest des Jahres hat das BAG der AHS einen Kredit von Fr. 12'000.- als Starthilfe zugesprochen und für 1986 grosse Beiträge in Aussicht gestellt."

"Gedanken nach einem Jahr Aids-Arbeit" hiess die Überschrift eines neuen Artikels von Roger Staub im anderschume/Kontiki vom Februar 1986. Darin lancierte er die "Aktion sicherer Sex" und erklärte unter anderem im Stil eines Aufrufs:1

"[...] Für uns Schwule, als immer noch hauptbetroffene Gruppe, heisst das Stichwort: Safer-Sex! Safer und nicht Safe-Sex (ganz sicher ist nur kein Sex). [...] Das bedeutet im Klartext: Kein Bumsen ohne Pariser (Hot Rubber) und kein Sperma schlucken. Denn das sind die Hauptübertragungswege - soviel ist heute klar. Andere Übertragungswege kann man sich zwar vorstellen: belegen oder beweisen lässt sich aber heute nichts.

[...] Aber: So einfach auf dem Papier - so schwierig in der Praxis: 'Wie reagiert der Partner, wenn ich…?' 'Mit Pariser fühlt man doch gar nichts mehr...!' Fragen, Ängste, Hemmungen noch und noch.

Zwar sind die Flugblätter zum Safer-Sex verteilt (und neue werden erscheinen) und die grosse Hot Rubber Kampagne ist angelaufen - bald kommt auch das Hot Rubber Lubricant, das passende, billige Gleitmittel zum Pariser. Und doch: das alles ist erst der Anfang. Nachdenken, Gespräche, Diskussionen wird es brauchen, wir müssen kreativ werden, um das Tabu Sexualität zum Thema Sexualität werden zu lassen, müssen gemeinsam Formen suchen, umdenken, Neues entwickeln. Das steht uns noch bevor. Wir können nicht warten, bis uns jemand die Lösung serviert. Wir haben sie zu suchen und wir werden sie finden. Die Arme verschränken hiesse, unseren Untergang zu zelebrieren."

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Ernst Ostertag, März 2008

Quellenverweise
1

anderschume/Kontiki, Nr.1/86, Seite 7