1998-2000

Rütlibund und Pornojäger

Re­li­giö­se Gruppen versus Drag Queens

Das erste Festival erfüllte seinen Zweck so gut, nämlich selbst­be­wusst und positiv Öffent­lich­keit her­zu­stel­len, dass bereits im zweiten Jahr Gegner:innen öf­fent­lich dagegen auf­tra­ten. Im Kanton Thurgau gab es christ­lich evan­ge­li­ka­le Grup­pie­run­gen, welche Ho­mo­se­xua­li­tät vehement ab­lehn­ten und De­mons­tra­tio­nen or­ga­ni­sier­ten.

Vor dem Kino standen nun Frauen und Männer der Ver­ei­ni­gung "Der Neue Rüt­li­bund - Schwei­ze­ri­sche Ver­ei­ni­gung für christ­li­che Moral, Men­schen­wür­de und Fa­mi­li­en­schutz" zusammen mit den Ver­ei­ni­gun­gen "Christen für die Wahrheit" und "Jugend für Familie und Staat" an mehreren Abenden mit Trans­pa­ren­ten, die sich gegen Ho­mo­se­xu­el­le rich­te­ten. Diese Leute ver­such­ten, die Besucher:innen in Ge­sprä­che zu ver­wi­ckeln und von den Vor­stel­lun­gen ab­zu­hal­ten. Nelly Fröhlich, im Thurgau als aktive Le­ser­brief­schrei­be­rin bekannt, äusserte sich ge­gen­über der Presse so:

"Wir wollen nicht, dass Ho­mo­se­xua­li­tät als normal an­ge­se­hen wird."

Mit von der Partie war in den nächsten Jahren auch Egon Thommen aus Schaff­hau­sen, der als selbst­er­nann­ter "Por­no­jä­ger" bekannt war und wegen seiner Methoden auch schon vor Gericht stehen musste. Sogar die Eid­ge­nös­sisch De­mo­kra­ti­sche Union (EDU) hatte ihn aus­ge­schlos­sen, weil er dieser streng rechten Partei zu extrem war.

Pink Apple re­agier­te auf die Demos offensiv-charmant: Drag Queens mischten sich unter die De­mons­trie­ren­den, flir­te­ten mit ihnen und ver­such­ten sie davon zu über­zeu­gen, dass Schwule ganz normale Menschen sind, egal wie sie sich kleiden, sprechen oder benehmen.

Solche De­mons­tra­tio­nen fanden in den ersten drei Jahren in Frau­en­feld statt, danach gaben diese Gruppen ihre öf­fent­li­chen Proteste auf. Wi­der­stand gab es aber später immer wieder, wenn auch eher passiv oder anonym. So wurden jah­re­lang Wer­be­bla­chen fürs Festival, die of­fi­zi­ell be­wil­ligt an gut sicht­ba­ren Orten aus­ge­hängt wurden, re­gel­mäs­sig weg­ge­ris­sen oder zerstört. Auch Pro­gram­me und Flyer, die wir im Ver­kehrs­bü­ro Frau­en­feld zum Auflegen vor­bei­brach­ten, ver­schwan­den schon nach einem Tag. Auf Nach­fra­ge hiess es, die Chefin habe die An­wei­sung zum Ent­fer­nen gegeben.

Daniel Bruttin, April 2022