Newsletter 58

Oktober 2014

Diese Ausgabe enthält folgende Themen: 

  • Kolumne: Vor 10 Jahren: Auftakt zur Abstimmung!
  • Porträt Paul Burkhard

      

Vor 10 Jahren: Auftakt zur Abstimmung!

eos. Sie kamen aus allen Ecken des Landes und zogen durch Berns Gassen. Dann verwandelten sie den Bundesplatz in ein Meer von rosa und orangefarbenen Ballons. Auf jedem stand "&. Partnerschaft JA" oder "&. partenariat OUI" oder "&. società SI". "JA, wir wollen!" war das Motto dieses frohen Festes. Denn dieser Tag, der 23. Oktober 2004, eröffnete die Abstimmungskampagne, die fröhlich werden sollte. Man nahm ja niemandem etwas weg. Man fügte ein & hinzu, wo die Gegner ein Verbot setzten. Verboten, das ist jedem klar, fehlen Herzlichkeit und Humor. Unter dem Zeichen "Liebe ist..." warben die Plakate später im ganzen Land mit Witz und Schmunzeln für ein Ja.

Die ersten Gespräche über die "Schwulen-Ehe" standen bereits 1989 auf einem Tagungsprogramm der Arbeitsgruppe Bundespolitik, die zur HACH gehörte (Dachorganisation der Homosexuellen Arbeitsgruppen). Sie mündeten fünf Jahre später, nun unter Führung von Pink Cross, in die Petition "Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare", die schliesslich im Januar 1995 mit 85'181 Unterschriften beim Bundesamt für Justiz eingereicht wurde. Es folgten lange Jahre der Schubladisierung trotz zwei Demos von Schwulen, Lesben und der Elternvereinigung fels:

1996 mit einer endlos langen Holzbank auf dem Bundesplatz und der klaren Botschaft "Schiebt uns nicht auf die lange Bank!"

1998 mit der Wecker-Demo, an der die mitgebrachten Dinger alle um fünf vor zwölf zu schellen, läuten, bimmeln begannen, um den schlafenden Justizminister aufzurütteln.

Er trat noch im selben Jahr zurück. Seine Nachfolgerin, Ruth Metzler, förderte jetzt das Anliegen auf zügige Weise. 1999 brachte sie es erstmals vor den Nationalrat und eröffnete die Debatte mit den Worten: "Meine Damen und Herren, heute geht es um Liebe."

2002, nach den Vernehmlassungen zum ersten bundesrätlichen Entwurf eines Partnerschaftsgesetzes erfolgte die offizielle Botschaft des Bundesrats an die eidgenössischen Räte. Im selben Jahr beschloss der Kanton Zürich per Volksabstimmung die Einführung des kantonal gültigen Partnerschaftsgesetzes. Das war ein starkes Zeichen an die übrige Schweiz, und Zürich war der erste Staat weltweit, der ein solches Gesetz mit Volksmehrheit einführte. 2003 wurde das eidgenössische Gesetz im Nationalrat angenommen, 2004 geschah dies auch im Ständerat. Die Schlussabstimmung in beiden Räten ergab am 8. Juni 2004 folgende positiven Resultate: Nationalrat: 112 : 51 bei 16 Enthaltungen; Ständerat: 33 : 5 bei 4 Enthaltungen

Schon früh meldeten sich die Gegner, unter anderem mit einer Gegenpetition an den Bundesrat: "Für die Förderung der Familie und gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare". Sie war von 88'098 Personen unterschrieben. Getragen war sie von immer denselben politisch konservativen und religiös fundamentalistischen Gruppierungen wie schon 1938 und 1992 beim jeweils erneuerten Strafgesetz. Massive Unterstützung dieser Nein-sagenden Kräfte kam - einmal mehr - aus dem Vatikan und von etlichen seiner Vertreter in der Schweiz: "Eine schwerwiegende unsittliche Handlung" begehe jeder, der einer Anerkennung der Homoehe zustimme (Vatikan, 2003). Während jahrzehntelanger seelsorgerlicher Tätigkeit "ist mir nie ein glückliches homosexuelles Paar begegnet" (Zürcher Weihbischof, 2003). "Homosexuelle Handlungen sind an sich nicht in Ordnung. Soweit sie vorsätzlich gewollt sind, sind sie sündhaft." (Domherr in Chur, 2004)

Doch es gab auch mutige religiöse Befürworter. Allen voran der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) mit seiner Grundsatzschrift "Unsittliches Tun oder anerkennenswerte Lebensform?" vom November 2002. In Stellungnahmen befürwortete der Frauenbund nicht nur das Partnerschaftsgesetz, sondern forderte auch die Stiefkind-Adoption und die Adoption überhaupt mit Übernahme des vollen Sorgerechts im Todesfall eines der Partner. Denn das Gesetz habe sich am Kindswohl zu orientieren.

Die Frist zur Einreichung des Referendums gegen das Gesetz lief am 7. Oktober 2004 ab. Die Gegner brachten es rechtzeitig zustande. Damit war klar: Es kam zur Abstimmung, frühester Termin war der 5. Juni 2005. Bereits am 2. Oktober 2003 hatten die nationalen Organisationen Pink Cross, LOS, Network und fels den Verein JA zum Partnerschaftsgesetz gegründet. Die Schweiz ist dabei in acht Regionen mit entsprechenden Regionalvereinen aufgeteilt worden. Nachdem das Referendum Tatsache geworden war, erfolgte der Aufruf zur ersten Grosskundgebung für den 23. Oktober 2004. "JA, wir wollen!" war der fröhliche Auftakt zum Abstimmungskampf und ein Grosserfolg zugleich.

Mehr dazu auf:

Grosskundgebung in Bern
Warum wollen wir? Gründe für das Partnerschaftsgesetz

  

Porträt Paul Burkhard

jb. Paul Burkhard (1911-1977) gilt als erfolgreichster Schweizer Komponist. Sein Chanson "O mein Papa" ging um die ganze Welt. Nebst Operetten komponierte er zahlreiche Bühnenmusiken für das Schauspielhaus Zürich, geistliche Spiele für Kinder sowie ernstere Werke wie die Oper "Ein Stern geht auf aus Jaakob". Das Klavier begleitete ihn ein Leben lang. In seiner Zeit als Leiter des Radioorchesters Beromünster schwang er bis zu 20 Stunden pro Woche den Taktstock. Peter Kaufmann porträtiert den herausragenden Künstler und aussergewöhnlichen Menschen Paul Burkhard für schwulengeschichte.ch und eröffnet damit eine Reihe von geplanten Porträts von schwulen Menschen in der Schweiz.

Hier geht es zum Burkhard-Porträt