Newsletter 61

Januar 2015

Diese Ausgabe enthält folgende Themen: 

  • Kolumne: Magnus Hirschfeld zum 80. Todestag
  • Porträt: Ettore Cella

   

Magnus Hirschfeld zum 80. Todestag

Vor bald 80 Jahren, im Mai 1935, verstarb im südfranzösischen Nizza Magnus Hirschfeld, ein deutscher Arzt, Sexualforscher und Empiriker, Sozialist, Jude und Mitbegründer der weltweit ersten Homosexuellen-Bewegung. Dass diesen unermüdlichen Aufklärer und Aktivisten auch viel mit der Schweiz verband, war bislang wenig bekannt.

In seiner Ausgabe vom 1. Juni 1935 berichtete das Schweizerische Freundschafts-Banner, Zentralorgan der hiesigen Homosexuellen beiderlei Geschlechts, auf seiner Titelseite: "Der grosse Sexualforscher und Gelehrte, Sanitätsrat Dr. Magnus Hirschfeld, ist nicht mehr." Der wohl von Anna Vock stammende Nachruf beklagte, dass mit Hirschfeld "der grösste und unerschrockenste Vorkämpfer für die Rechte der Homoeroten aller Zeiten ins Grab" gestiegen sei und endete pathetisch:

"Tausenden von Unglücklichen und sexuell Anormalen hat Hirschfeld Rat und Hilfe angedeihen lassen, sie dem Fluche der Lächerlichkeit entzogen und durch seine aufklärende Forscherarbeit Spott und Hohn in Mitleid verwandelt, eine Arbeit, der kein wahrer Menschenfreund seine Anerkennung versagen kann. Millionen von Homoeroten aber bedeutet der Name Hirschfeld Licht, Hoffnung und Lebensbejahung und in Dankbarkeit werden sie stets seiner gedenken."

Wochen später, in der Ausgabe vom 5. Oktober 1935, doppelte das Schweizerische Freundschafts-Banner nach mit einem einfühlsamen und erstaunlich kenntnisreichen Porträt unter dem Titel "Magnus Hirschfeld als Mensch und Persönlichkeit", welches angeblich "einer bestbekannten, deutschschweiz. Tageszeitung" entnommen war, von dem bislang aber weder Quelle noch der Autor mit dem Kürzel G.D. eruiert werden konnten. Diese Würdigung Hirschfelds in Schweizer Publikationen belegt die prägende Rolle, welche dieser innerhalb der internationalen Emanzipationsbewegung von Schwulen und Lesben gespielt hatte.

Hirschfeld gründete 1897 mit dem "Wissenschaftlich-humanitären Komitee (WhK)" die weltweite erste Organisation für die Bürgerrechte von Homosexuellen, deren Hauptziel die Entkriminalisierung der Homosexualität in Deutschland und die Abschaffung des berüchtigten Homosexuellenparagraphen 175 war. Mit Petitionen an den Reichstag und mit wissenschaftlich fundierter Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit wollte Hirschfeld einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel herbeiführen. 1918 folgte die Gründung der weltweit ersten Einrichtung für Sexualforschung, des "Instituts für Sexualwissenschaft" in Berlin. Auch Transvestiten und Transsexuelle hatten dort eine Anlaufstelle. Doch nicht nur in Deutschland trat Hirschfeld für eine humane, freiheitliche Sexualgesetzgebung sowie für Aufklärung und Toleranz ein, sondern organisierte auch internationale Tagungen und engagierte sich 1928 bei der Gründung der "Weltliga für Sexualreform", deren Zentralbüro seinen Sitz im Berliner Institut für Sexualwissenschaft hatte.

Im Jahr danach - genauer: Mitte März 1929 - stritten im Nationalrat in Bern die damals noch ausschliesslich männlichen Volksvertreter über die Bestrafung der "widernatürlichen Unzucht". Nachdem im Laufe der Debatte Hirschfelds Name gefallen war, warnte EVP-Nationalrat Hans Hoppeler, ein Zürcher Arzt von christlich-biblischer Gesinnung:

"Hirschfeld wird in der nächsten Zeit in die Schweiz kommen und Vorträge halten. Sie werden dann Gelegenheit haben, mit seinen Anschauungen bekannt zu werden. Es sind diejenigen Anschauungen, von denen wir im tiefsten überzeugt sind, dass sie den Ruin des Einzelnen und der Gesellschaft bedeuten."

Tatsächlich hielt Hirschfeld in den ersten April-Tagen 1929 im Zürcher Schauspielhaus sowie im Basler Volkshaus Vorträge über die "Irrwege der Liebe", denen im Oktober 1929 und April 1930 weitere folgten.

Hirschfeld hatte schon 1918 in Zürich gesprochen. Die Neue Zürcher Zeitung berichtete bereits zu Beginn des Jahres 1905 über Zweck und Ziele des Wissenschaftlich-humanitären Komitees. Walther Weibel (im KREIS als yx), ein leitender Redaktor des Weltblattes, war es denn auch, der für Hirschfeld zur wichtigen Ansprechperson wurde, als dieser - gewarnt von Mitarbeitern und Freunden - im Sommer 1932 nach einer Weltreise nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte und die Schweiz als die erste Station seines Exils wählte. Von August 1932 bis Januar 1933 wohnte Hirschfeld in Zürich, danach bis Mitte Mai 1933 in Ascona, wo er zu Beginn im legendären Hotel Monte Verità residierte, in welchem zu dieser Zeit Urlaub machende Nazis und vertriebene Emigranten Tür an Tür wohnten.

In der Schweiz erschien sodann auch Hirschfelds letztes Buch, Die Weltreise eines Sexualforschers. Da sowohl der Autor als auch dessen Verleger Sanktionen von Seiten des Dritten Reiches befürchteten, wurde das beinahe 400 Seiten starke Werk mit einer fiktiven Verlagsangabe versehen. Als es im Sommer 1933 in den Handel kam, befand sich Hirschfeld bereits in der nächsten und endgültigen Station seines Exils - in Frankreich, wo er an seinem 67. Geburtstag in Nizza verstarb. Hirschfelds ehemaliger Mitstreiter Kurt Hiller schrieb in seinem Nachruf "Der Sinn eines Lebens", welcher in Zürich in einer kleinen Fachzeitschrift publiziert wurde, über dessen Ende:

"Er starb als Geächteter, arm, in der Fremde. Aber er starb schön; einen leichten, fast heitern Tod. Morgens nahm er noch fröhlich Geburtstagsglückwünsche entgegen; dann ging er spazieren, wollte einen erkrankten Kollegen besuchen; im Vorgarten des Hauses sank er bewusstlos zusammen, um nicht wieder aufzuwachen."

Beat Frischknecht

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Ettore Cella: Schauspieler, Erzähler und Regisseur

jb. Er bleibt unvergessen. Noch heute klingt seine charakteristische Stimme im Ohr nach, und sein einprägsames Gesicht, das er markanten Figuren in Film und Fernsehen schenkte, ist unauslöschlich in unseren Erinnerungen eingebrannt: Ettore Cella, der Schauspieler, Regisseur und charmante Erzähler so mancher Anekdoten. Er war ein Pionier des Fernsehens und glaubte an die Macht des Wortes. Seine eigene Homosexualität war ihm nicht der Rede wert. Aber er hat zu diesem Thema trotzdem ein paar originelle Worte gesagt. Wir setzen mit diesem Porträt unsere Reihe über die Vielfalt schwuler Lebensstile fort.

Ettore Cella