Newsletter 63

März 2015

Diese Ausgabe enthält folgende Themen: 

  • Kolumne: Ein Star der homoerotischen Fotografie
  • Porträt: Pierre Stutz

   

Ein Star der homoerotischen Fotografie: George Platt Lynes

eos. Bald jährt sich zum 60. Mal der Todestag des US-amerikanischen Fotografen George Platt Lynes (1907-1955). Noch relativ jung erlag er einem Lungenkrebs. Mit dem KREIS nahm er 1950 Kontakt auf, und er wurde schliesslich mit 50 Bildern der wichtigste Künstler der ersten drei von insgesamt vier Fotobänden, die der KREIS von 1952 bis 1962 herausgab. Auch in der Zeitschrift war er häufig vertreten, eingeführt durch Rolf (Karl Meier) in der Nummer sieben des Jahres 1950.

Als junger Mann wurde George Platt Lynes 1925 nach Paris geschickt, um sein Studium zu beenden. Dort lernte er Künstler wie Gertrude Stein kennen. Zurückgekehrt in die USA wollte er sich als Schriftsteller betätigen. 1927 eröffnete er einen Buchladen in New Jersey. Bald aber wandte sich sein Interesse dem Fotografieren zu. Die Aufnahmen, die er von Freunden machte, wurden nun in seinem Laden ausgestellt, so dass sich die Buchhandlung mehr und mehr zu einer Galerie wandelte. Ein Jahr später reiste Platt Lynes mit seinen Freunden Glenway Wescot und Monroe Wheeler erneut nach Europa und hielt alle Eindrücke mit der Kamera fest. Wieder verkehrte er in Künstlerkreisen. Dabei freundete er sich unter anderem mit Jean Cocteau und Julien Levy an. 1932 stellte Levy Fotografien von Platt Lynes in seiner New Yorker Galerie aus; Lynes bezog im selben Jahr ein eigenes Studio ebenfalls in New York.

Sein Talent sprach sich herum, und bald erhielt er Aufträge von Vogue, Harper's Bazar und anderen grossen Zeitschriften. 1935 fragte man ihn, ob er die Bühnenproduktionen und auch die Haupttänzer des von Lincoln Kirstein und George Balanchine eben gegründeten American Ballets (heute New York City Ballet) dokumentieren wolle. Das tat er mit Erfolg. Nun öffnete sich ihm auch die Modefotografie. In den dreissiger und vierziger Jahren arbeitete er unter anderen für so renommierte und noch heute bestehende Modehäuser wie Bergdorf Goodman und Saks Fifth Avenue.

Trotz solchen Erfolgen sehnte er sich ab 1946 nach neuen Herausforderungen. Er verliess New York und ging nach Hollywood, wo er Chef-Fotograf der Vogue Studios wurde und die grossen Stars der Film-Industrie portraitierte, etwa Gloria Swanson, Orson Welles, Rosalind Russell, Katharine Hepburn, aber auch Künstler und Schriftsteller wie Igor Stravinsky, Aldous Huxley und Thomas Mann. 1948 kehrte er nach New York zurück und begann mit dem Forscher Alfred Kinsey ("Kinsey-Report") zu arbeiten, konnte aber nie mehr an die Zeit seiner grossen Erfolge anknüpfen.

Schon bald nach 1930 hatte er Nacktaufnahmen seiner Freunde gemacht. Dieses anfängliche Hobby wurde in wenigen Jahren zur verborgenen Leidenschaft. Darin brachte er es schliesslich zu meisterhaftem Können, das den Tag bis heute überdauerte. Platt Lynes' homoerotische Fotografien stellen den männlichen Körper in neuen Sichtweisen dar, etwa im Stil bühnenreifer Kompositionen, wobei Lynes mit allen Facetten und Schattierungen von Licht und Gegenlicht spielte, mit sämtlichen Feinheiten und Nuancen wie auch den scharfen Gegensätzen, die für die Schwarz-Weiss-Filmtechnik charakteristisch sind. Er benutzte ausgesuchte Modelle und bekannte Darsteller wie etwa den jungen Yul Brynner. Doch das alles geschah im Verborgenen, rein privat, und es blieb unbekannt und nie veröffentlicht bis in die späten Lebensjahre des Künstlers. Als im Zuge des Kalten Krieges die Säuberungshysterie um US-Senator Joseph McCarthy (1908-1957) immer weitere Kreise zog, wurde Platt Lynes klar, dass die homoerotischen Bilder, die er selber für das Beste seines künstlerischen Schaffens hielt, zur Gefahr und zum grossen Risiko geworden waren. Daher gliederte er grosse Teile seiner Sammlung in Dr. Alfred Kinsey's "Institute for Research in Sex, Gender and Reproduction" aus. Denn dort war er inzwischen zum festen Mitarbeiter avanciert, der systematisch viele Probanden fotografierte. Unter dem Mantel der Wissenschaft war sein Werk einigermassen sicher. Auch heute noch gibt es dort die grösste Sammlung von Original-Aufnahmen Platt Lynes'.

Daneben nahm der Künstler Verbindung zum KREIS auf, zu dessen Abonnenten seit 1949 auch Alfred Kinsey zählte. In der fernen Schweiz glaubte Platt Lynes endlich seinen Traum realisieren zu können: seine homoerotischen Fotografien in Zeitschriften und Bildbänden gedruckt und veröffentlicht zu sehen, wenn auch nur für einen relativ geschlossenen Kreis von Interessierten. Die ersten Bilder erschienen 1950 denn auch unter seinem richtigen Namen. Dann aber verlangte er ein Pseudonym und wählte Roberto Rolf.

George Platt Lynes

1952 regte Platt Lynes die Redaktion des Kreis an, einen Bildband mit Fotografien aus der Zeitschrift herauszugeben; er werde auch von seinen Werken etliche zur Verfügung stellen. Das geschah noch im selben Jahr und wenig später begann er die Idee für einen ausschliesslichen Platt Lynes Band zu entwickeln. Zum diesbezüglichen Hintergrund und dem Briefwechsel mit der Kreis-Redaktion finden sich die Details hier und in den folgenden Unterkapiteln:

Fotobände

  

Ex-Priester wird Bestseller-Autor

jb. Schon von Pierre Stutz gehört? Sollte Dir der Name nicht geläufig sein, dann lebst Du auf einem anderen Planeten. Pierre ist nämlich ein international bestens bekannter Bestseller-Autor für spirituelle Literatur. Er stammt aus dem Kanton Aargau und lebt heute in Lausanne. Sein Lebensweg verlief allerdings mit einigen Kurven.

Bis er als römisch-katholischer Priester seine wahre Natur erkannte und zu leben wagte, sollte es 17 Jahre dauern. Und dann hatte seine Kirche keine Verwendung mehr für ihn. Nicht erstaunlich, wenn selbst die Segnung eines lesbischen Paares nicht toleriert wird, aber bedauerlich und weit neben dem Vorbild, das Jesus seinen Zeitgenossen vorgelebt hat. Glücklicherweise rappelte sich Pierre Stutz wieder auf und entdeckte seine schriftstellerische Begabung. Seine Lebensbetrachtungen finden sich - erstaunlicherweise - auch in Klosterläden. Denn diesen Autor auch noch aus dem religiösen Umfeld zu verbannen, wäre ein weiterer Schuss ins eigene Bein der Amtskirche. Lies das spannende Porträt über Pierre Stutz:

Pierre Stutz

Mit diesem Porträt kommt unsere Biografie-Reihe vorläufig zum Stillstand, weil das Geld für weitere Porträts fehlt. Die Liste von schwulen Persönlichkeiten der Schweiz ist allerdings noch sehr lang.