Newsletter 71

November 2015

Diese Ausgabe enthält folgendes Thema: 

  • Kolumne: Ein Aufklärungsbuch mit Folgen

  

DER KREIS UND EIN AUFKLÄRUNGSBUCH ZUM NACHLESEN

eos. Vor 50 Jahren, mitten in einer Zeit grassierender Homophobie mit Polizeirazzien und Medienhetze, veranlasste der KREIS die Herausgabe eines Aufklärungsbuches. Es sollte den damaligen Stand der Forschung wiedergeben und die negativ geprägte "Diskussion" in sachlichere Bahnen lenken. Als Herausgeber der Publikation zeichnete der Neurologe, Psychotherapeut und Eheberater Theodor Bovet. Die Kritik an den Thesen des Buches blieb nicht aus. Doch es hatte ungeahnte Folgen bei Betroffenen und in einer interessierten Öffentlichkeit.

Karl Meier / Rolf, der Leiter des KREIS, war durch und durch von humanistischen Idealen und der Idee allgemein gültiger Menschenrechte geprägt. Wie im Film "Der Kreis" gezeigt, forderte er in der heftigen Diskussion unter seinen Mitarbeitern im Redaktionsbüro nicht das Demonstrieren auf der Strasse, sondern Information und Aufklärung: "Schriib i eusem Heft öppis Gschiids!" Nur so sei das Ziel der Anerkennung und Akzeptanz unserer Art der Liebe zu verwirklichen. Davon war er zutiefst überzeugt. In der damaligen Zeit, als das Gesetz ab 1942 zwar homosexuelle Akte unter Erwachsenen nicht mehr bestrafte, die Gesellschaft hingegen alles, was mit dem Thema zusammenhing, total tabuisierte und verdrängte, konnte kein Homosexueller offen auftreten und aufklären. Es blieben nur fundierte Aussagen aus Forschung und Wissenschaft. Karl Meier knüpfte ein Netz zu Wissenschaftern und bot in seiner Zeitschrift Platz für entsprechende Berichte. Die Wirkung war klein, aber sie war da, und zwar kontinuierlich.

1959 erschien ein Buch mit dem Titel "Sinnerfülltes Anderssein". Der Verfasser war ein über die Schweiz hinaus bekannter Nervenarzt und christlicher Eheberater, Dr. med. Theodor Bovet (1900-1976). Der Untertitel seines Buches hiess: "Seelsorgerliche Gespräche mit Homophilen". Für aufgeschlossene Christen beider Konfessionen, aber auch für Karl Meier und seinen Kreis von Mitarbeitern war dieses Buch eine Sensation: Genau darauf hatte man gewartet, aber jede und jeder für sich, ganz im Geheimen. Jetzt konnte man offen darüber sprechen, ohne verdächtig zu werden; zudem gab es eine Bezugs- und Ansprechperson. Bovet wurde zur viel gefragten Persönlichkeit.

Natürlich suchte Karl Meier sofort den Kontakt. In Gesprächen mit Bovet konnte er den Unterschied erklären zwischen dem erotischen Hingezogen-Fühlen zu Unmündigen (wie in den "seelsorgerlichen Gesprächen" behandelt) und der Liebe zu gleichgeschlechtlichen Erwachsenen. Das war ein Anfang und Ausgangspunkt. Wie fruchtbar die weitere Auseinandersetzung Bovets mit "organisierten Betroffenen" wurde, erwies sich in seinem 1962 erschienenen Essay "Gedanken zur Homophilie". Er erschien in der renommierten Zeitschrift "Reformierte Schweiz" (7/1962) und löste ein starkes Echo aus. Karl Meier / Rolf forderte unter dem Titel "Die Kirche diskutiert" (Der Kreis 8/1962, Seiten 10 und 11) seine Leser auf, diese Ausgabe der "Reformierten Schweiz" sofort zu "erwerben, bevor sie vergriffen ist, nicht nur zum eigenen Studium, sondern auch für unsere Eltern, Verwandten und Freunde, denn hier bekommen sie den besten Beweis dafür, dass wir nicht ausserhalb der Natur, sondern in ihr, wenn auch in einer rätselhaften Weise, stehen. Das wird bei ihnen viele Vorurteile abbauen und verkehrte Anschauungen ins rechte Licht rücken können." Im selben Artikel hatte er zuvor bereits geschrieben: "Der mutige Essay [von Theodor Bovet] wird Gegenstimmen rufen, dem Autor vielleicht sogar Vorwürfe einbringen; gleichviel: die Konfrontierung mit dem bisherigen kirchlichen Denken ist gemacht - die kommende Auseinandersetzung kann nur fruchtbar werden: für beide Teile."

Das war in der Vorbereitungsphase zum Zweiten Vatikanischen Konzil (11. Oktober 1962 bis 8. Dezember 1965). Im gesamten religiösen und kirchlichen Umfeld herrschte eine Aufbruchsstimmung - und die Protestanten hofften zudem auf eine aktiv gelebte und von höchster Stelle geförderte Ökumene. Andererseits war es auch die Zeit der Repression und der allgemeinen Homofeindlichkeit in unserem Land. Von heute her gesehen ist es erstaunlich, wie offen landeskirchliche Kreise damals dachten und handelten. In Basel etwa setzten sie sich im konkreten Fall gegen freikirchlich-puritanische Gruppierungen und einige städtische Pfarrherren durch, die Bovet (seit 1960 Ehrendoktor der Theologie) lauthals als untragbar verschrien und seine Entlassung als Redner am Evangelischen Kirchentag forderten. Bovet wurde nicht gestrichen und hielt sein viel beachtetes Referat zu "Ehe und Ehelosigkeit".

Vor diesem Hintergrund begann Karl Meier zusammen mit dem Leiter der Basler KREIS-Gruppe und ihres Isola-Treffpunkts, Ernest Raetz, die Grundzüge eines Aufklärungs-Projekts zu entwerfen. Sie wollten ein Buch mit Beiträgen von Fachleuten realisieren, das Fragen der Homosexualität in wissenschaftlichem Sinn behandelt und weit über den KREIS hinaus wirken sollte. Im Nachlass von Eugen Laubacher / Charles Welti, dem Redaktor des französischen Teils der Zeitschrift Der Kreis, fanden sich Hinweise auf Zusammenkünfte mit solchen Fachkräften in Basel. Sie begannen wohl schon Ende 1962 und intensivierten sich in den folgenden Jahren. Die einzig vorhandene Kopie einer Art von Protokoll (datiert vom 19. März 1963), die offensichtlich als Mitteilung an Laubacher gelangte, zeugt von mehreren vorausgegangenen Treffen und enthält einen Zeitplan für die zukünftigen. Nach diesem "Protokoll" ging es am 19. März um Äusserungen von Karl Meier und Ernest Raetz zu Fragen der Homophilie im Kreis der anwesenden Wissenschafter (Juristen, Mediziner, Psychologen und Theologen beider Konfessionen), die namentlich aufgeführt werden. Zudem wird klar ersichtlich, dass die beiden KREIS-Vertreter auf eine baldige Realisierung des von ihnen gewünschten Buches drängten.

Dank der guten Zusammenarbeit von Meier und Raetz mit Theodor Bovet übernahm dieser die Führung des Projekts und schliesslich die Herausgabe des Sammelbandes. Der KREIS wollte im Hintergrund bleiben. Die handliche Schrift von 155 Seiten erschien im Frühjahr 1965. Darin kamen vier Mediziner, zwei protestantische Theologen und zwei Juristen zu Wort. Der Herausgeber Bovet schuf mit einer Einführung und einem Schlusswort den Rahmen des Ganzen. Das Buch ist natürlich längst vergriffen. Deswegen soll hier eine Zusammenstellung von zentralen Aussagen folgen.

Bei der Lektüre fällt auf, dass sämtliche Autoren und Autorinnen zwar forschungsbedingt Kontakte mit Homosexuellen geknüpft hatten und in ihren Ausführungen viel menschliches Verständnis zeigten, dass sie jedoch den Homosexuellen in keiner Weise als gleichwertigen Menschen wahrnahmen, schon gar nicht als gesetzlich gleichberechtigten Mitbürger. Offenbar war eine solche Sichtweise damals (noch) nicht vorstellbar:

Theologisch wird nicht verurteilt, aber die Störung der göttlichen Schöpfungsordnung festgestellt und seelsorgerliche Betreuung angeboten auf einem Weg, der im Idealfall zur Sublimierung der Sexualität, also zur permanenten Keuschheit führt.

Medizinisch bleibt eine Anomalie als Tatsache bestehen. Bestenfalls wird das Bild von Krankheit oder Pathologie vermieden und der/die Homosexuelle als "unkorrigierbar" dargestellt, so dass eine Therapie nur bei Störungen der Persönlichkeit anzubieten sei.

Juristisch wird festgestellt, dass eine Bestrafung homosexueller Akte unsinnig sei und eine Verschärfung bestehender (schweizerischer) Gesetze nur negative Auswirkungen hätte, dass hingegen jede "Lockerung" abzulehnen sei. Mit "Lockerung" war gemeint: Aufheben des Verbots männlicher Prostitution (das Verbot weiblicher Prostitution war 1942 aufgehoben worden), gleiches Schutzalter für Männer wie für Frauen (statt 20 bei jedem Sex mit Männern und 16 bei jedem Sex mit Frauen), Aufheben des Verbots aller homosexuellen Akte im Militärstrafgesetz.

Ein Hinterfragen der gesellschaftlichen Situation, in der Homosexuelle zu leben (und sich zu verstecken) gezwungen sind, ist mit einer Ausnahme (Bovet) undenkbar. So bleiben die Folgen dieser Situation unerkannt. Sie werden zwar gesehen, aber der Abartigkeit des Homosexuellen zugeschrieben, der deswegen psychotherapeutische oder/und theologische Hilfe brauche. Erst die Gay Liberation-Bewegung nach Stonewall 1969 und in den folgenden Jahren hat die perverse Situation, in der Homosexuelle zu leben gezwungen sind, ins Zentrum gerückt und die gesellschaftliche Befreiung angestossen.

Hier nun einige Ausschnitte aus dem trotz allem sehr bemerkenswerten Buch, das im deutschsprachigen Raum Etliches an Vorarbeit zum Umdenken leistete und sozusagen den Vorhang zur Emanzipationsgeschichte ein wenig in die Höhe hob:

Einführung (Theodor Bovet):

Die Probleme der Homophilie gehen uns alle an, ob wir es wissen oder nicht, ob wir es wollen oder nicht, ob wir darüber reden oder ob wir darüber schweigen. Denn die Homosexuellen sind keine indische Sekte [...], sie bewohnen nicht als Kranke oder als Verbrecher eine äussere Randzone unserer Gesellschaft; [...] sie bilden nach vorsichtigen Schätzungen 3-4% unserer normalen Bevölkerung. Das bedeutet praktisch, dass in einer Versammlung von 80-100 Personen wahrscheinlich drei oder vier Homophile sitzen, die sich in keiner sichtbaren Weise von den übrigen unterscheiden und sich im Leben genauso gut bewähren wie sie. (Seiten 10 und 11)

Die soziologischen Verhältnisse, in denen Homophile meist leben müssen, lösen bei manchen von ihnen sekundäre neurotische Reaktionen aus, wie es bei vielen Minderheiten der Fall ist. (Seite 10)

Exegese zweier neutestamentlicher Stellen (Dr. theol. Else Kähler, Boldern ob Männedorf; sie bezieht sich auf die bekannten Verse von Paulus im Römer- und ersten Korintherbrief (Röm 1, 18-32; Kor 6, 9-11):

Die Bibel offenbart uns bekanntlich nicht psychologisches oder biologisches Wissen. Gerade durch die Freiheit, die Christus gebracht hat, ist die Freiheit der Forschung gewachsen. Auf Grund von dieser stehen wir nicht mehr dort, wo Paulus und das ganze Neue Testament stehen. (Seite 31)

Für den Theologen und Seelsorger wird es das Ziel sein, den Betroffenen - wenn es seine Möglichkeiten erlauben - zum Verzicht auf den Gebrauch seiner "Anlage" zu veranlassen: um des Reiches willen, um der Freiheit für den Herrn willen. Aber nur, wenn er selber dadurch ein Befreiter wird, ist dieser Weg richtig. (Seite 36)

Homosexualität in medizinisch-psychologischer Sicht (Prof. Dr. med. Gaetano Benedetti und Dr. med. Verena Wenger, Basel)

G.B.: Homosexualität ist nicht eine "Krankheit". [...] Sie kann besser definiert werden als eine sowohl biologisch (konstitutionell) wie auch biographisch (lebensgeschichtlich) begründete sexuelle Verhaltens- und Erlebensabnormität. (Seite 44)

V.W.: Aber selbst wo kein ursprünglicher Mangel an Selbstwertgefühl vorliegt, bedarf es eines ungewöhnlichen Masses an Reife und innerer Unabhängigkeit und Selbständigkeit, um in unserer heterosexuell orientierten und vielfach lieblos und oberflächlich vor-urteilenden Gesellschaft ruhig zu einem anderen Lebensstil zu stehen: Wer das zustande bringt, ist erwachsener als mancher sogenannt Normale, er hat gleichsam sein Gewissen nicht mehr "draussen" bei den Mitmenschen und ihrem sozialen Urteil untergebracht, sondern es endgültig "hereingenommen" in den Bereich seiner allerpersönlichsten Verantwortung. (Seite 75)

Die Frage der Erblichkeit der Homophilie (Prof. Dr. med. Otmar von Verschuer, Münster i.W.):

Man unterscheidet heute eine echte Homophilie als Störung der psychosexuellen Entwicklung von einer unechten oder Pseudohomophilie; diese letztere beruht auf einer Störung der seelischen Einstellung und des daraus folgenden Verhaltens im Leben. [...] Das Geschlechtsleben des Menschen bleibt ein Geheimnis, in das der einzelne Mensch nur selten einem anderen Menschen Einblick gewährt. So bleibt jede Erhebung über pathologisch-sexualpsychologische Erscheinungen unvollkommen. [...] Konkret gesprochen: Ist ein Mensch durch seine erbliche Veranlagung zur Homophilie disponiert, so ist dies nicht ein Schicksal, dem er unausweichlich unterworfen ist; sondern es ist ihm eine sicher oft schwer zu tragende Aufgabe gestellt. Insofern ist er wirklich der "homosexuelle Nächste", der in seiner ethischen Verantwortung der "helfenden Hände" bedarf. (Seiten 83 und 86)

Über die weibliche Homosexualität (Dr. med. Elsa Kockel, Zürich):

Es ist natürlich, dass der sexuelle Trieb mehr in die Persönlichkeit der Frau eingebaut ist als beim Manne, dient er doch dem Beruf der Frau: Gattin und Mutter zu sein. Daher wohl auch die grössere Fähigkeit der Frau zur Sublimation. [...] Erst im Heraustreten aus dem eigenen Heim, was früher eine beinahe monströse Seltenheit war, wird die unverheiratete Frau konfrontiert mit dem Problem des Alleinseins, das gleichzeitig aber auch zu innerer Entwicklung zwingt. (Seiten 96 und 97)

Die Homosexualität in strafrechtlicher Sicht (Prof. Dr. iur. Günter Stratenwerth, Basel):

Homosexualität ist eine Erscheinung, die - soweit wir wissen - in allen menschlichen Kulturen, unabhängig von Zeit und Ort, angetroffen wird. [...] Ausser Frage steht [...], dass sich die Ursachen der Homosexualität bewusster menschlicher Einwirkung weitgehend entziehen und sich die Fixierung eines homosexuellen Triebes nur in sehr seltenen Fällen rückgängig machen lässt. [...] Möglich bleibt allein der Versuch, einer Ausbreitung der Homosexualität über das offenbar unvermeidliche Mass entgegenzuwirken. (Seite 112)

Für das Strafrecht bildet die Homosexualität ein Sachproblem wie andere auch, gewiss ein menschlich bewegendes und äusserst schwieriges, aber keines, von dessen Lösung - wie immer sie ausfallen mag - der Fortbestand des Abendlandes abhängt. Die nüchterne Prüfung der Argumente [...], die unbefangene Erforschung und Anerkennung der faktischen Zusammenhänge und die gewissenhafte Abwägung des Für und Wider - das ist hier wie überall der einzige Weg zu einer verantwortlichen Stellungnahme, die als menschliche Entscheidung stets mit dem Risiko belastet bleibt, falsch zu sein. (Seite 129)

Das Problem der Homophilie aus sittenpolizeilicher Warte (Dr. iur. Hans Witschi, Kriminalkommissar der Stadtpolizei Zürich):

Begünstigt wird die männliche Prostitution leider durch die starke Verpönung des mannmännlichen Verkehrs in der Gesellschaft. Folge davon ist, dass der Homophile sich scheut, mit einem Partner zusammen zu wohnen und sich ständig mit ihm in der Öffentlichkeit zu zeigen, weil er befürchtet, der erotische Charakter seiner Beziehung könnte entdeckt werden. In der Mehrzahl der Fälle hätte eine solche Entdeckung für ihn beruflich und gesellschaftlich katastrophale Folgen. Den Beamten der Sittenpolizei sind zahlreiche derartige Tragödien bekannt. Es ist aus diesen Gründen sehr verständlich, wenn der Homophile in der Regel peinlich darauf bedacht ist, die körperliche Seite seines Triebes möglichst geheim und unerkannt zu befriedigen. Dazu bietet ihm die männliche Prostitution sicher die beste Gelegenheit. [...] Im Gegensatz zu den echten Homosexuellen sind die männlichen Prostituierten in krimineller Hinsicht ganz besonders anfällig. (Seiten 136 und 138)

Meines Erachtens können Vereinigungen dieser Art [gemeint ist der KREIS] für die übrige Gesellschaft keineswegs Schaden bringen: sie ermöglichen es nämlich den Homophilen, sich auf eine Weise kennen zu lernen, die sich nicht in der Öffentlichkeit [...] abspielt; sie dienen auch dem Zweck, den Gleichgekehrten aus seiner seelischen Vereinsamung und seinen recht häufig vorhandenen Minderwertigkeitsgefühlen herauszureissen, in denen ja gerne das Motiv zum Selbstmord liegt. (Seite 140)

Es sollte schon aus militärpolitischen Überlegungen das Schutzalter von 20 Jahren nicht herabgesetzt werden. [...] Nichts wäre einzuwenden, wenn verschiedene Strafgerichte unseres Landes den verwahrlosten und kriminell gefährlichen Strichjungen gegenüber etwas drakonischere Strafen verhängten. (Seiten 143 und 144)

Versuch einiger Schlussfolgerungen (D. Dr. med. Theodor Bovet, Basel):

Es scheint so zu sein, dass "natürliche" latente Homophilie unter sehr verschiedenen Einflüssen manifest in Erscheinung treten kann [...], schliesslich auch infolge einer angeborenen Eigenheit. [...] Diese Form ist vielleicht die häufigste, unbestritten ist das aber nicht [...]. Wo die Homophilie in dieser Weise manifest wird, kann man wohl von einer Fehlsteuerung oder einer Anomalie reden; indessen ist die homophile Triebinversion nicht mehr so völlig unverständlich und naturwidrig, wie es anfänglich aussah [...]. Das erklärt wohl auch, weshalb die echten Homophilen das Gefühl haben, ihre Art sei "auch natürlich". (Seiten 148 und 149)

Einem konstitutionellen Homophilen die Heirat als Heilmittel zu empfehlen, ist geradezu ein Verbrechen. (Seite 150)

Wie steht es in den Fällen, wo eine echte personale Liebe besteht, wo zwei erwachsene Homophile den Entschluss fassen, ihr ganzes Leben in verantwortlicher Weise für einander da zu sein und einander zu gehören? Zwischen Mann und Frau entsteht daraus eine Ehe; zwischen Homophilen besteht diese Möglichkeit nicht. Haben sie aber nicht dennoch aus der Institution Ehe wenigstens das verwirklicht, was sie konnten, nämlich die verantwortliche und lebenslängliche Partnerschaft? (Seite 151)

Mir scheint, wir hätten bis jetzt den Homophilen gegenüber eine Art "ethischen Kolonialismus" betrieben, indem wir ihnen unsere Lebensweise aufdrängen und sie von unserer Art aus verurteilen wollten. (Seite 152)

Theodor Bovet (Hrsg.): Probleme der Homophilie in medizinischer, theologischer und juristischer Sicht. Verlag Paul Haupt, Bern 1965.

Wer mehr zu Theodor Bovet und zur Zusammenarbeit der Leiter des KREIS mit ihm erfahren möchte, findet die Informationen bei Theodor Bovet