Newsletter 85

Februar 2017

Dieser News­let­ter enthält folgende Themen:

    • Spot25 und die Aufklärungsschrift für Jugendliche
    • Ein kleines Kondom-Jubiläum
    • Eine neue Website in Baden-Württemberg
    • LGBTI-Forschungsnacht 2017

      

    Spot25 und die Aufklärungsschrift für Jugendliche

    eos. Die Gründer aller Homosexuellen Arbeitsgruppen waren jung, zwischen zwanzig und dreissig. Für Jüngere war eine aktive Mitgliedschaft nicht möglich, denn das Schutzalter verwehrte es (und das blieb so bis 1992: für Frauen 16, für Männer 20). Minderjährige waren ausgeschlossen und ausgegrenzt. Das sollte sich in den Folgejahren mit der Gründung der Anlaufstelle Spot25 und einer Broschüre für Jugendliche gründlich ändern.

    Nach den ersten Jahren des Auf­bruchs, also der zu­neh­men­den Eman­zi­pa­ti­on von Ho­mo­se­xu­el­len, und erst recht mit ihrem Her­aus­tre­ten in die Öffent­lich­keit (ab 1978) wurden "Min­der­jäh­ri­ge" als un­ge­recht be­han­delt an­ge­se­hen. Schlim­mer noch, ihr per Gesetz ver­ord­ne­ter "Schutz vor se­xu­el­lem Miss­brauch" war zum Hemmnis für eine selbst­be­wuss­te Ent­wick­lung geworden. Sich mit gleich­alt­ri­gen und gleich­füh­len­den "Min­der­jäh­ri­gen" treffen und aus­spre­chen zu können, war für sie ent­schei­dend wichtig. Dies umso mehr, als die Ge­sell­schaft all­ge­mein noch sehr ab­leh­nend ge­gen­über Schwulen war und es kaum Eltern gab, die ihre ho­mo­se­xu­el­len Kinder ak­zep­tie­ren konnten. Auch vor Schul- oder Sport­ka­me­ra­den musste man sich ver­leug­nen. Diese schwie­ri­ge Lage wurde in den be­ste­hen­den Grup­pie­run­gen von Ho­mo­se­xu­el­len dis­ku­tiert, und der Wille zur Änderung formte sich. Die Angst vor mög­li­chen Kon­flik­ten mit dem gel­ten­den Gesetz und den dahinter ste­hen­den Gegnern jeder Öffnung musste ein­ge­schätzt und über­wun­den werden.

    In den 50er Jahren kam es nicht selten zu Ge­sprä­chen mit Min­der­jäh­ri­gen, die in der Zürcher Bar­füs­ser-Bar so­zu­sa­gen fest­ge­na­gelt waren. Sie be­stürm­ten uns mit Fragen, wenn wir an­läss­lich grosser Fest­lich­kei­ten im KREIS die paar Schritte hinüber zum Bar­füs­ser gingen, um Luft zu schnap­pen und ein anderes Milieu zu spüren. Sie waren 18 oder 19 und durften beim KREIS nicht dabei sein. Noch nicht. Einige von ihnen sahen sogar älter aus als wir. Paradox.

    1977 begann die SOH (Schwei­ze­ri­sche Or­ga­ni­sa­ti­on der Ho­mo­phi­len) mit einem Angebot an Ju­gend­li­che. Sie sollten sich in einer eigenen, zu­min­dest an­fäng­lich von einem älteren Mitglied ge­lei­te­ten Gruppe zu­sam­men­fin­den, sich aus­spre­chen und eigene Pro­gram­me ent­wi­ckeln. Ende August bezog die SOH eine Wohnung im Quartier Ober­strass. Es war genug Raum vor­han­den. Die Ju­gend­grup­pe traf sich dort, und wenig später konnte auch die HAZ (Ho­mo­se­xu­el­le Ar­beits­grup­pen Zürich) ihr Büro am selben Ort ein­rich­ten.

    1982 fand die SOH-Ju­gend­grup­pe einen pas­sen­den Namen: Spot25. Diese Be­zeich­nung sagt aus, dass nur Ju­gend­li­che bis 25 Mit­glie­der sein konnten. Leitende Personen, für die sich kein Ersatz fand, blieben ge­le­gent­lich weiter an ihrem Posten, auch wenn sie die 25 über­schrit­ten hatten. Mit einigen mehr oder weniger langen Un­ter­brü­chen besteht der Spot25 noch heute. 1983 konnte die HAZ ihr Centro am Sihlquai beziehen, das bis heute das Zentrum für alle HAZ-Un­ter­grup­pen ist. Wenig später wech­sel­te auch der Spot25 dorthin, blieb aber mit der SOH ver­bun­den, bis zu deren Über­füh­rung ins neu ent­stan­de­ne Schwu­len­se­kre­ta­ri­at Pink Cross Ende 1994. Danach wurde Spot25 Teil der HAZ bis 2004, als sich die Ju­gend­grup­pe auflöste, weil die da­ma­li­gen Jungen dachten, es brauche keine solche Ver­ei­ni­gung mehr. Etliche Jahre später erwies sich diese Annahme als Irrtum. Der Spot25 wurde neu ge­grün­det und exis­tiert wieder als Ar­beits­grup­pe in­ner­halb der HAZ.

    Eine der prä­gen­den Per­sön­lich­kei­ten war Charly Büchi, Prä­si­dent von Spot25 zwischen 1985 und 1991. Er war äusserst um­trie­big und riss viele mit. An einer SOH-Vor­stands­sit­zung bat er um fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung für die Her­aus­ga­be einer knapp und klar ge­stal­te­ten Bro­schü­re zur In­for­ma­ti­on und Auf­klä­rung über das Schwul-Sein, ge­rich­tet an Ju­gend­li­che. Hier das Zitat aus dem Pro­to­koll dieser Vor­stands­sit­zung:

    "Unter der Leitung von Charly Büchi (geb. 1959) entwickelte sich Spot25 dynamisch. Als Vorstandsmitglied bat er nun an der VS um Unterstützung bei seinem Projekt, eine eigene Publikation in Form von spot-news herauszugeben. Anlass war eigentlich das von der UNO für 1985 erklärte 'Jahr der Jugend'. Der Vorstand distanzierte sich anfänglich, beschloss am Ende der Sitzung aber, dem nächsten SOH-Info einen von Charly verfassten Bettelbrief beizufügen, und dann sehen wir, wie solidarisch sich die Jungen (oder auch die Älteren) mit diesem Projekt [...] zeigen. Ein bisschen Mut wollen wir dem armen Charly ja [...] machen."

    Doch da hatte man of­fen­sicht­lich den voller Ideen ste­cken­den kleinen Charly mit seinem flammend roten Haar­schopf ganz schwer un­ter­schätzt: Er brachte es fertig, am 6. Dezember 1985 mit einem Rie­sen­fest im Stu­den­ten­zen­trum ZABI das Er­schei­nen der Spot25-Bro­schü­re "Ich bin schw…" zu feiern. Sie sollte rasch weit­her­um bekannt werden. Zu diesem Fest hatte er "den Star aus Deutsch­land, Geor­get­te Dee und Terry Truck" en­ga­giert, und "im Vor­pro­gramm zeigen wir den Film 'Z­ab­ris­kie-Point' von Mi­che­lan­ge­lo An­to­nio­ni", wie es auf dem Flyer hiess.

    An der Ge­ne­ral­ver­samm­lung der SOH vom 26. April 1986 be­rich­te­te Charly Büchi aus­führ­lich über das Ent­ste­hen der für damalige Vor­stel­lun­gen ein­zig­ar­ti­gen und auch gewagten Auf­klä­rungs-Bro­schü­re "Ich bin schw…". Sie war das Werk von 19- bis 26-jährigen, also teil­wei­se von Min­der­jäh­ri­gen, und richtete sich auch an Junge ab 16, ohne das aus­drück­lich zu erwähnen. Das war erst­ma­lig und schlug auch ent­spre­chend ein. Charly hatte einen Nerv und eine Wis­sens­lü­cke ge­trof­fen.

    Mehr dazu:

    Broschüre Spot25

    Nachgeschichte

    Ein kleines Kondom-Jubiläum

    eos. Am 3. Februar 2017 sind es dreissig Jahre her seit einer gewagten und fol­gen­rei­chen Episode am Schwei­zer Fern­se­hen, die lan­des­weit zum Ge­sprächs­the­ma Nummer eins wurde. Der beliebte Nach­rich­ten­spre­cher Charles Clerc benutzte die Abend­sen­dung, um völlig über­ra­schend ein Kondom aus­zu­pa­cken und fach­ge­recht über seinen Daumen zu stülpen. Der Kom­men­tar dazu: Dieses kleine Ding, richtig an­ge­wen­det, kann Leben retten! Es war die An­fangs­zeit der na­tio­na­len Aids-Prä­ven­ti­ons­kam­pa­gne. Mit dieser kurzen Sequenz brachte das Schwei­zer Fern­se­hen die Stop-Aids-Kampagne mit einem Schlag ins Be­wusst­sein der Be­völ­ke­rung.

    Start der Stop-Aids-Kampagne

    Eine neue Website in Baden-Württemberg

    eos. In Baden-Würt­tem­berg hat sich eine neue Website eta­bliert, die sich mit der LGBTQ-Ge­schich­te im Süd­wes­ten Deutsch­lands befasst. Sie soll einen Überblick über die Ge­schich­te gleich­ge­schlecht­li­chen Be­geh­rens sowie von Trans­gen­der, Trans- und In­ter­ge­schlecht­lich­keit (LSBTTIQ) während des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und der frühen Bun­des­re­pu­blik ver­schaf­fen. So finden sich hier In­for­ma­tio­nen über deren Un­ter­drü­ckung und Ver­fol­gung, aber auch über eigene Kulturen der LSBTTIQ und über die Ent­wick­lung der Se­xu­al­wis­sen­schaft. Das von His­to­ri­kern ge­tra­ge­ne und von der Lan­des­re­gie­rung Baden-Würt­tem­berg un­ter­stütz­te For­schungs­pro­jekt soll auf­zei­gen, wie LSBTTIQ in der deut­schen Ge­sell­schaft erinnert und wie ihre Ver­fol­gung auf­ge­ar­bei­tet wird. Es soll auf das be­gan­ge­ne Unrecht auf­merk­sam gemacht und ein klares Zeichen gegen Homo- und Trans­pho­bie in unserer Ge­sell­schaft gesetzt werden. Manne Lucha, der Minister für Soziales und In­te­gra­ti­on Baden-Würt­tem­berg, hält in einem Gruss­wort fest:

    "Auch im Südwesten Deutschlands wurden über einen langen Zeitraum hinweg viele Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität gesellschaftlich ausgegrenzt, kriminalisiert, verfolgt und sogar getötet. Über diese oft auch im Namen des Staates begangenen Taten wurde leider viel zu lange geschwiegen."

    Mehr zu diesem Projekt hier.

    LGBTI-Forschungsnacht 2017

    Am Dienstag, dem 16. Mai 2017, führt das In­sti­tu­te of Queer Studies an der Uni­ver­si­tät Zürich die LGBTI-For­schungs­nacht 2017 durch. Dabei werden Stu­die­ren­de und (Nach­wuchs-)Wis­sen­schaf­te­rIn­nen aus dem Bereich der LGBTI ihre ak­tu­el­len Projekte und For­schungs­ar­bei­ten prä­sen­tie­ren und zur Dis­kus­si­on stellen. Stu­den­tin­nen, Stu­den­ten, Wis­sen­schaf­ter und Wis­sen­schaf­te­rin­nen, die bereit sind, ihre be­gon­ne­nen oder ab­ge­schlos­se­nen wis­sen­schaft­li­chen Leis­tun­gen und Arbeiten zu LGBTI-Themen in Natur-, Geistes- oder So­zi­al­wis­sen­schaf­ten zu prä­sen­tie­ren, sind zur Teil­nah­me ein­ge­la­den. Pro Prä­sen­ta­ti­on sind 10 bis 15 Minuten vor­ge­se­hen, mit an­schlies­sen­der Dis­kus­si­on im Publikum. Ein­rei­chun­gen aus allen Dis­zi­pli­nen und mit in­ter­dis­zi­pli­nä­rem Ansatz sind will­kom­men. Der Verein Network – Gay Lea­dership vergibt unter den Re­fe­ren­tin­nen und Re­fe­ren­ten der LGBTI For­schungs­nacht einen Network-For­schungs­preis im Wert von 500 Franken. Das Sie­ger­re­fe­rat wird durch das Publikum und eine Jury er­mit­telt. An­mel­dun­gen sind er­wünscht bis am 30. März 2017 an Iqs@network.ch.

    Weitere In­for­ma­tio­nen unter www.queerstudies.ch