Newsletter 86

März 2017

Dieser News­let­ter enthält folgende Themen:

    • DER KREIS auf dem Höhepunkt
    • Alexander Ziegler: Autor, Schauspieler, Provokateur

      

    Vor 60 Jahren: DER KREIS auf dem Höhepunkt

    eos. Mit Beginn des Jahres 1957 wurde der KREIS als Organisation und Zeitschrift 25 Jahre alt, die Vorgängerorganisationen und ihre Zeitschriften mitgezählt. Drei Ereignisse und die Kreis-Sondernummer prägten das Jubiläumsjahr. Im Folgenden soll die Erinnerung daran und das Wissen darüber etwas angeregt und vertieft werden.

    Der KREIS er­reich­te (ein Jahr später) die Zahl von fast 2000 Abon­nen­ten. Rück­mel­dun­gen ergaben, dass min­des­tens vier Personen jedes Heft lasen. Ein Viertel der Abon­nen­ten waren Aus­län­der. Viele davon lebten im deutsch­spra­chi­gen Raum, andere in fran­zö­si­schen und eng­li­schen Sprach­ge­bie­ten, vor allem in den USA. Der Kreis - Le Cercle - The Circle er­reich­te eine in­ter­na­tio­na­le Le­ser­schaft von min­des­tens 8000 Personen. Das ist für jene Zeit einmalig. Denn in beiden deut­schen Staaten (BRD und DDR) wie auch in Öster­reich, Frank­reich und Gross­bri­tan­ni­en war damals jede Form se­xu­el­ler Be­tä­ti­gung unter Männern ge­setz­lich verboten und mit zumeist hohen Strafen belegt. Ge­sell­schaft­lich war Ho­mo­se­xua­li­tät überall total geächtet. In den USA herrsch­te noch zu­sätz­lich die grosse Ver­un­si­che­rung nach den Jahren der De­nun­zia­tio­nen und "An­hö­run­gen" unter Senator Joseph McCarthy, der alles "Un­ame­ri­ka­ni­sche" aus­mer­zen wollte. Vor diesem Hin­ter­grund wirkten der KREIS und damit auch die Schweiz wie eine Insel der Seligen, vor allem für aus­län­di­sche Abon­nen­ten und deren Freunde. Ihre Zu­schrif­ten und Gra­tu­la­tio­nen während des Ju­bi­lä­ums­jah­res sind deut­li­che Zeug­nis­se.

    Das Jahr begann mit dem 60. Ge­burts­tag von Karl Meier / Rolf am 16. März. Im Heft erschien eine Gra­tu­la­ti­on und Wür­di­gung:

    Rolfs Geburtstag

    Dann gelang es dem KREIS am 23. März, in Basel ein eigenes Club­lo­kal und eine KREIS-Gruppe zu eta­blie­ren: die Isola im Ger­ber­gäs­s­lein. Dahinter stand die starke Per­sön­lich­keit eines Basler Un­ter­neh­mers:

    Gründungsgeschichte des Isola-Clubs

    Die Ein­wei­hung der Isola wurde zum grossen Fest, an das sich alle Teil­neh­mer noch lange er­in­ner­ten. Bei späteren fest­li­chen Anlässen jedoch musste stets auf die maximale Platz­zahl hin­ge­wie­sen werden: 150 Personen! Die Isola wurde trotzdem zur Er­folgs­ge­schich­te. Ein Bericht schil­dert die Er­öff­nungs­fei­er:

    Eröffnungsfeier des Isola-Clubs

    Das pu­bli­zis­ti­sche High­light wurde die Kreis-Sep­tem­ber-Nummer. Die Re­dak­ti­on ge­stal­te­te sie als ei­gent­li­che Ju­bi­lä­ums­aus­ga­be mit vielen Bei­trä­gen und Il­lus­tra­tio­nen, die von der in­ter­na­tio­na­len Ver­net­zung in den Be­rei­chen Kunst, Wis­sen­schaft und Li­te­ra­tur zeugte und auch die Ge­schich­te der 25 ver­gan­ge­nen Jahre bis zurück in die Anfänge auf­leuch­ten liess. Eine unter vielen anderen Ver­bin­dun­gen mit gleich­ge­sinn­ten Grup­pie­run­gen und deren Pu­bli­ka­tio­nen war jene zur Re­dak­ti­on der US-Zeit­schrift ONE, die dem KREIS eine Son­der­num­mer widmete:

    USA gratulieren

    Für die Abon­nen­ten war das grosse Herbst­fest vom 5. und 6. Oktober der ei­gent­li­che Hö­he­punkt. Denn es gab an beiden Tagen ein Fest mit Theater-Auf­füh­run­gen und sons­ti­gen Dar­bie­tun­gen, mit Musik und Tanz und vielen Mög­lich­kei­ten ge­müt­li­chen Bei­sam­men­seins, sei es im Re­stau­rant des Hauses, dem heutigen Theater am Neumarkt, in der nahen Bar­füs­ser-Bar oder an anderen Orten. Für den Samstag war ein leichtes Programm geplant, mit Chansons, Sketches und Karl Meier / Rolf als witzigem Con­fé­ren­cier, der schliess­lich die KREIS-Thea­ter­trup­pe an­kün­dig­te. Diese bot ein köst­li­ches Büh­nen­stück voll von sar­kas­ti­scher Selbst­iro­nie. Es handelte vom Treffen einiger ex­al­tier­ter "Tunten" im schicken Londoner Domizil eines der Herren und dem stock­nor­ma­len Matrosen, den einer von ihnen eben in den Docks auf­ge­ga­belt und mit­ge­bracht hatte, weil er so sexy wirke. Na­tür­lich ent­brann­te um genau diesen Mann ein Feuer von An­bie­de­rungs­ver­su­chen und Ei­fer­süch­te­lei­en: "Der Elefant im Por­zel­lan­la­den" hiess das Ganze, und es brachte den rap­pel­vol­len Thea­ter­saal so richtig zum Kochen. Am Sonntag ging es ernster zu und her: Die ei­gent­li­che Ju­bi­lä­ums­fei­er bestand aus einer drei­spra­chi­gen Be­grüs­sung, zwei Thea­ter­sze­nen und einigen kurzen Reden, wobei jene des "ältesten Abon­nen­ten" be­son­ders berührte. Im ersten Stück für die Bühne spielten zwei Mit­glie­der den Abschied des bi­bli­schen Jonathan von seinem Freund David, als dieser in die Wüste fliehen muss, eine Szene aus dem Zwei­ak­ter des deut­schen Autors Otto Zarek. Für ein zweites Stück hatte Karl Meier einen Ab­schnitt aus Thomas Manns "Felix Krull" um­ge­formt, worin es zu einer knis­tern­den Ver­füh­rung zwischen einem ele­gan­ten Gast und dem Kellner Krull kommt.

    Jubiläumsfeier

    Alexander Ziegler: Autor, Schauspieler, Provokateur

    jb. Kein deutsch­spra­chi­ger Autor hat im 20. Jahr­hun­dert so viel für die Schwulen und Lesben bewirkt wie der Schwei­zer Alex­an­der Ziegler. Dabei waren seine Methoden mitunter sehr um­strit­ten, und seine Rolle wurde nicht immer ver­stan­den. Im Grunde war er eine tra­gi­sche Figur und ein zutiefst ver­letz­ter Mensch, der an sich selbst und einer Ge­sell­schaft zerbrach, die eben erst an­ge­fan­gen hatte, die Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen mit neuen Augen zu sehen. Der Film "Die Kon­se­quenz" nach einem Roman Zieglers und die Te­lea­re­na des Schwei­zer Fern­se­hens mit Ziegler in der Rolle des Ad­vo­ca­tus diaboli waren die medialen Mark­stei­ne zu Beginn einer Ent­wick­lung, die zu einer Neu­be­wer­tung der Ho­mo­se­xua­li­tät führen sollte. Peter Kaufmann hat die um­strit­te­ne Per­sön­lich­keit por­trä­tiert:

    Alexander Ziegler