1930-2018

Röbi Rapp: Vom Kinderstar zum schwulen Zeitzeugen

Röbi Rapp verbrachte den grössten Teil seines Lebens in Zürich, angefangen von der Geburt am 27. Mai 1930 in der Frauenklinik des Kantonsspitals Zürich bis zu seinem Hinschied am 26. August 2018. Er sprach selbstverständlich Stadtzürcher Dialekt und kannte alle, die hier ihre kulturellen Spuren hinterliessen. In jungen Jahren wurde er zum Schweizer "Kinderstar". Später glänzte er auf den lokalen Kleinbühnen als charmanter Frauendarsteller. Dennoch musste er lange warten, bis sich die Behörden herabliessen, ihm einen Schweizer Pass auszuhändigen.

Schon sein Vater, ein Goldschmied, wuchs in Zürich als Sohn eines Deutschen aus dem Württembergischen und einer Strassburgerin auf, bis er 14 Jahre alt war, musste dann aber nach Deutschland zurück, wo seine Familie väterlicherseits herkam. 1912 lernte er dort seine künftige Frau kennen, die er zehn Jahre später heiratete. 1925 fand der Vater Arbeit in der Schweiz. Der Ehe entsprossen zwei Kinder, 1923 Hedy und 1930 Röbi. Beide galten nach Schweizer Recht als Deutsche. Zweimal wurde Röbis Gesuch aufs Schweizer Bürgerrecht abgeschmettert. Erst am 27. Mai 2010, mit 80 Jahren, erhielt er den Schweizer Pass. Nun war er auch offiziell das, als was er sich immer gefühlt hatte: als Schweizer.

Ab 2013 litt Röbi unter Herzbeschwerden. Bald kam eine zunehmende Nierenschwäche hinzu. Als sich das Organversagen im Sommer 2018 dramatisch verschlimmerte, entschloss er sich in Übereinstimmung mit seinen Nächsten zum Tod mit der Hilfe von Exit. Das war am 26. August. An der Abschiedsfeier am 27. Oktober 2018 sprach Corine Mauch, die Stadtpräsidentin von Zürich:

"Dass wir hier im Stadthaus von Zürich gemeinsam Röbi Rapp gedenken, ist kein Zufall. Hier im Stadthaus haben Röbi und Ernst als erste männerliebende Männer im Jahr 2003 ihre Lebensgemeinschaft eintragen lassen. Damals wurde im Kanton Zürich die Eintragung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften möglich. Und hier haben sie sich ein zweites Mal das Ja-Wort gegeben, als 2007 ein entsprechendes Bundesgesetz in Kraft trat.

Dieses Haus repräsentiert aber auch Politik und Verwaltung der Stadt Zürich. Und Politik und Verwaltung der Stadt waren es, die in den1950er und 1960er Jahren mitverantwortlich waren für die Verfolgung und Ächtung von Homosexuellen in Zürich. Heute bedauern und verurteilen wir die damalige Verfolgung von homosexuellen Menschen zu tiefst."

Nach dem frühen Tod von Röbis Vater im Jahre 1937 brach für die kleine Familie eine schwere Zeit an, politisch sowieso, aber auch bei der Beschaffung des Lebensunterhalts. Die Mutter Marie arbeitete als Putz- und Waschfrau und betätigte sich daneben noch als Garderobenfrau im Zürcher Schauspielhaus. Nach dem Abschluss der dritten Sekundarklasse im Jahre 1946 begann auch für Röbi der berufliche Alltag. Aus Geldmangel war eine Ausbildung in Musik und Theater nicht möglich. Deshalb machte er eine Lehre als Herren-Coiffeur. Nach dem Abschluss im Jahre 1951 erwarb er sich auch den Fähigkeitsausweis als Damen-Coiffeur und arbeitete mehrere Jahre auf dem erlernten Beruf. 1959 wechselte er als Lehrer an die Coiffeur-Fachschule von Jonny Fahrny. Nach fünf erfolgreichen Jahren wollte er etwas Neues erfahren und zog 1964 als Vertreter von Schwarzkopf im Libanon und in Syrien nach Beirut. Seine Rückkehr erfolgte sechs Monate später. Noch im selben Jahr eröffnete er einen eigenen Coiffeur-Salon in Zürich. Doch aus gesundheitlichen Gründen musste er das Geschäft im Jahre 1970 wieder aufgeben. Nach einer Umschulung arbeitete er von 1971 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1990 als Dokumentalist bei der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft.

Josef Burri, Februar 2019

Literaturhinweis

Barbara Bosshard: Verborgene Liebe - Die Geschichte von Röbi und Ernst. Verlag Wörterseh, Gockhausen 2012