Die 20er und 30er Jahre

Mit dem Verschwinden der bisherigen Kaiserreiche Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland nach dem Ersten Weltkrieg (1918) begann eine gesellschaftliche Neuorientierung und Öffnung. Dies betraf auch die bislang verborgen gebliebenen oder künstlerisch-wissenschaftlich abgehobenen Kreise von Homosexuellen. Im Zuge der "Roaring 20ies" entstanden in den Grossstädten neue Treffpunkte und Gruppierungen mit eigenen Zeitschriften.

Das führte auch in der Schweiz zu ähnlichen Modellen gelebter Gemeinsamkeit. Allerdings blieben bei uns die deutschen Publikationen wichtig; eigene gab es hierzulande (noch) nicht.

Im Unterschied zu Deutschland machte sich die Schweiz an die Aufhebung der Strafen für homosexuelle Akte unter Erwachsenen. Dies im Rahmen der Schaffung eines ersten einheitlichen Strafgesetzbuches (StGB), womit die unterschiedlichen Regelungen in den Kantonen abgeschafft werden sollten. Es war ein jahrzehntelanger Prozess, der 1938 im positiven Volksentscheid endete.

Mit Beginn der Hitler-Diktatur erlosch das deutsche Vorbild. Zur selben Zeit entstand in der Schweiz eine neue Gruppe von homosexuellen Frauen und Männern. Sie erwies sich als eigenständig und überlebensfähig. Zudem gab sie die erste schweizerische Zeitschrift heraus. Die Bestrebungen um das eidgenössische Strafgesetz waren 1931 abgeschlossen, was die Beratungen im Parlament betraf. Nun musste um eine Annahme im Volk gerungen werden. Das gab Auftrieb.

Andererseits stieg im Zug der Vorgänge sowohl im "Neuen Deutschland" wie im faschistischen Italien die Zahl von schweizerischen Mitläufern und Nachahmern, welche hierzulande ähnliche "Neuerungen" herbeiführen wollten oder gar den "Anschluss" planten. Unter anderem gehörten auch die Homosexuellen zu ihrem Feindbild.

Es kam zu bösartigen Attacken und Verleumdungen gegen die Herausgeber der Zeitschrift. Doch die paar wenigen Frauen und Männer hielten durch.

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Ernst Ostertag, September 2010