Zentrale Rolle

Die zentrale Rolle von Karl Meier

Das Pro­to­koll­buch des Schwei­ze­ri­schen Freund­schafts-Ver­ban­des erwähnt erstmals einen Herrn Rheiner, welcher an der Sitzung vom 12. Juli 1934 von seinem Besuch bei der "Sektion Basel des S. Fr. V." Bericht er­stat­tet habe.

Über die Ver­samm­lung vom 6. Juni 1935 wurde ins Buch ein­ge­tra­gen, es sei zum Leiter eines für den 29. Juni ge­plan­ten Som­mer­fes­tes Herr R. Rheiner gewählt und

"als Ver­gnü­gungs­prä­si­dent von allen freudig zu­ge­stimmt und begrüsst"

worden. Weiter heisst es im Pro­to­koll­buch:

"Da er ein Mann von Fach ist, wird er für ab­wechs­lungs­rei­che Un­ter­hal­tung sorgen, durch Theater, Re­zi­ta­tio­nen und Tanz­spie­le, somit können wir uns wieder einmal auf einen recht frohen Abend freuen. Auch wird er für einen neuen Bü­cher­tisch sorgen."

Sehr rasch also nahm Karl Meier / Rudolf Rheiner eine zentrale Rolle ein sowohl in der Zeitschrift als auch im Verband, mit­be­stim­mend, aber ohne das letzte Wort zu haben.

Rück­bli­ckend auf die Schweiz von damals und auf die deutsche Ka­ta­stro­phe, die bald zur eu­ro­päi­schen Ka­ta­stro­phe werden sollte, auch was ei­ni­ger­mas­sen freies ho­mo­se­xu­el­les Leben betraf, ist fest­zu­stel­len: Die bahn­bre­chen­de Idee von Heinrich Hössli, ihre Be­grün­dung und mutige Ver­öf­fent­li­chung 1836 und 1838, diese Idee und das Be­stre­ben um Auf­klä­rung und An­er­ken­nung kehrte nach fast hundert Jahren wieder ins Land ihres Ur­sprungs zurück und nahm dort konkrete Gestalt an.

Denn mit Hösslis Tod ging seine Idee bei uns fast gänzlich ver­ges­sen. Doch deutsche Pioniere wie Karl Heinrich Ulrichs nahmen sie auf und trugen sie so­zu­sa­gen als olym­pi­sche Flamme weiter. In Berlin wurde sie zum grossen, weithin leuch­ten­den Feuer, das auch zu uns aus­strahl­te und einige Zu­sam­men­schlüs­se bewirkte. Doch im Moment des ge­walt­sa­men Er­lö­schens und der totalen Ver­nich­tung in Deutsch­land be­deu­te­te der Beginn von Karl Meiers Tä­tig­keit in der Schweiz das Zu­rück­brin­gen der Flamme. Zunächst, 1934, war sie nur ein schwa­ches Licht­lein. Aber bald mutierte sie zum Signet des Kreis, jener ein­zig­ar­ti­gen und zu­min­dest bis 1946 einzigen Zeit­schrift und Or­ga­ni­sa­ti­on ho­mo­se­xu­el­ler Männer weltweit.

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Ernst Ostertag, Juni 2004