1894-1942

Das liberale Strafgesetz

Eidgenössisches Strafgesetzbuch (StGB) mit Entkriminalisierung homosexueller Akte unter Erwachsenen

Es soll hier die Geschichte der Schaffung des einheitlichen eidgenössischen Strafgesetzbuches (StGB) in die Geschichte der schweizerischen Gruppierungen von Homosexuellen (1922 bis 1937) eingeschoben werden. Denn sie verläuft parallel.

Die Diskussionen und getroffenen Kompromisse in den Jahren vor der Volksabstimmung über das StGB (1938) weckten natürlich das Interesse der homosexuellen Menschen im Lande in sehr hohem Masse. Denn diese Diskussionen beschäftigten nicht nur die politische und gesellschaftliche Elite, sie wurden auch in der Presse und in weiten Teilen des Volkes geführt. Dabei allerdings ging es weniger um den Kernpunkt für Homosexuelle, die mögliche Entkriminalisierung, als um viele andere grundlegende Fragen. Schliesslich handelte es sich um das erste gesamtschweizerische Strafgesetzbuch, das die bisherigen kantonalen Regelungen ablösen würde.

Mit der Volksabstimmung war das Gesetz Realität. Es trat per 1. Januar 1942 in Kraft. Und mit ihm die Straffreiheit für Homosexuelle, die das Schutzalter von 20 Jahren überschritten hatten. Das mentale Tabu "Homosexualität" jedoch wurde bestätigt und blieb weiterhin bestehen.

Der seit 1933 sich kontinuierlich entwickelnden Homosexuellen-Organisation wurde ein Ghetto zugewiesen. Dort blieb sie unbehelligt, geduldet. Immerhin, das Gesetz war ein grosser Fortschritt angesichts der Lage in den meisten Teilen Europas. Homosexuelle hatten in der Schweiz eine rechtlich abgesicherte Stellung.

Unter dem Titel "Freundschafts-Banner" wird nach den Kapiteln über das neue StGB die Fortsetzung der bisherigen Geschichte von Organisation und Zeitschrift geschildert. Dies anhand des 1933 neu erschienenen Schweizerischen Freundschafts-Banners, der nun einzigen Homosexuellen-Zeitschrift im deutschen Sprachbereich.

Ernst Ostertag, September 2010