1929/1931
Beratungen im Parlament
Landesweit war während elf Jahren über den Entwurf des Bundesrats für ein erstes Eidgenössisches Strafgesetz (StGB) diskutiert worden. Jetzt ging das Parlament an die Arbeit.
1929 war der Nationalrat dran und konnte sich in der Frühjahrssession nicht einigen. Unter anderem ging es um die Frage, ob homosexuelle Akte unter Erwachsenen nicht mehr bestraft werden sollten. Man vertagte den Entscheid auf die Winter-Session.
Im Sommer folgten Anhörungen von wissenschaftlich anerkannten Fachgelehrten. Grossen Einfluss hatte ein Aufsatz des Strafrechtsprofessors Ernst Hafter von der Universität Zürich. In der Winter-Session erhielt die Freigabe eine satte Mehrheit der Stimmen.
1931 stand dasselbe Geschäft auf der Traktandenliste des Ständerats. Es kam zu Kompromissen, die sich bereits im Nationalrat abgezeichnet hatten. Man erwartete mit der Freigabe das Ende der "penetranten Propaganda" homosexueller Kreise: Dass diese Leute nun, da sie erhielten, was sie wollten, sich still verhalten und nicht weiter in die Öffentlichkeit treten würden. Mit knappem Mehr folgte der Ständerat dem Antrag auf Entkriminalisierung.
Die "schmutzige Sache" war unter den Teppich gekehrt und sollte dort bleiben. Ein altes Tabu blieb bestätigt. Die Homosexuellen blieben 40 Jahre lang still.
Ernst Ostertag, Mai 2010