1935

Fasnachtsball

"Alte Trotte", Zürich-Höngg

In Nummer 5/​1935 brachte das FB eine grosse Anzeige und Ein­la­dung zum "Fast­nachts­ball" für Samstag, den 2. März im Re­stau­rant zur "Alten Trotte" in Zürich-Höngg. Auf Punkt 1 Uhr wurde eine Masken-Prä­mie­rung angesagt und für den Anlass eine strenge Tür­kon­trol­le zu­ge­si­chert. "Nur an­stän­dig und seriös ge­klei­de­te Masken haben Zutritt" hiess es zu­sätz­lich. Heft 6/​1935 vom 15. März be­rich­te­te dann über "Fast­nachts­le­ben" und "Fast­nachts­trei­ben" als zwei­er­lei Art des Sich-Ver­gnü­gens1:

" 'Fast­nachts­le­ben' ist das un­ge­schmink­te 'Sich­ge­hen­las­sen', unter der Maske einmal 'das zu sein', was man das ganze Jahr nicht sein darf. Für viele unserer Art­ge­nos­sen bedeutet es oft der einzige Moment, wo man sich richtig geben kann, wie man fühlt. [...] Wir sollen das Jahr durch verdammt sein, ein Dop­pel­le­ben zu führen, tag­täg­lich eine Maske auf­zu­set­zen, um an­geb­lich vor unserer Mitwelt als 'normal' zu er­schei­nen. So spielen wir Komödie und haben im­mer­fort Karneval. Nur einmal kommt jedes Jahr die lang­er­sehn­te of­fi­zi­el­le 'Fast­nach­t', wo wir hinter dem Mum­men­schanz unsere in­ners­ten Gefühle preis­ge­ben dürfen, wo wir wirklich 'wir selbst sind'. [...] Es war vor allem die treue Le­ser­ge­mein­de, die sich von Genf, Lausanne, Locarno, Biel, Bern, Luzern, St. Gallen und vom Bo­den­see­strand zum Fest vereinte. [...] Mit dem ersten Tram um 5.30 Uhr löste sich das Fest auf und die Teil­neh­mer gingen noch zur Mehl­sup­pe ins 'Rialto' und ins 'Albis'."

Über das "Fast­nachts­trei­ben" im "Rialto" und "Albis":

"Im ersteren ging es zu wie in einem Bie­nen­haus, von Tanz­flä­che keine Spur mehr, man liess sich schieben und drücken, wie Würmer in der Kon­ser­ven­büch­se eines Fischers. [...] Alles was Namen hatte, war tra­di­tio­nell mit und ohne Auf­ma­chung ver­tre­ten. Unsere so­ge­nann­te 'Banane' glänzte in 'Mae West' Stil mit blonder Perücke, breit­krem­pi­gem Federhut, in engem schwar­zen, mit Fi­li­gran­stein­chen besätem Ge­sell­schafts­an­zug und Pelz­ja­ckett. 'Ninon' war mit blon­don­du­lier­ten Haaren, kleinem Hütchen mit Halb­schlei­er, schwar­zem Ball­kleid mit Gold­plätt­chen und Pelz­man­tel wie jedes Jahr ge­die­ge­ne 'Frau von Format'. [...] 'T­sching­ge-Marie' trug knall­ro­te Bein­klei­der mit Sil­ber­strei­fen und Strand­hut. 'Mausi' in feinster Sei­den­ro­be, [...]. Kaum ein Un­ein­ge­weih­ter hätte darauf geraten, dass sie eben doch alle dem männ­li­chen Ge­schlecht an­ge­hö­ren. Die 'Diva' zeigte sich in zi­geu­ner­haft spa­ni­scher Auf­ma­chung und die 'Vera' hätte besser eine Maske auf­ge­setzt, [...] andere Jahre hat sie sich 'feiner' gegeben. [...] Viele pen­del­ten zwischen 'Albis' und 'Rialto' hin und her, um dann schluss­end­lich im Bahn­hof­buf­fet zu landen, wo man alles wieder treffen konnte, verteilt in den ver­schie­de­nen Räum­lich­kei­ten. Nun sind die Tan­z­wei­sen ver­klun­gen und 'A­scher­mitt­wo­ch' gähnt aus über­näch­ti­gen Augen und leeren Porte­mon­naies. [...] Wir warten schon auf Fast­nacht 1936."

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Ernst Ostertag, Juni 2004

Quellenverweise
1

Mac. und V.: Schweizerisches Freundschafts-Banner, Nr. 6/​1935 vom 15. März. Bei den Autoren Mac. und V. handelte es sich wahr­schein­lich um Carlo (Karl) Meier und Anna Vock