Leserstimme

Jesus und Johannes

Jesus und sein Lieblingsjünger Johannes - zu diesem stets brisanten Thema gab es natürlich auch Zuschriften. Eine davon war gezeichnet mit M.G. Sie rollt die besondere, homoerotisch gefärbte Beziehung zwischen Jesus und Johannes auf1:

"Es drängt mich aufrichtig, Herrn Rudolf Rheiner [Karl Meier / Rolf] für seinen äusserst wertvollen Artikel meinen grössten Dank auszusprechen. Solche Erklärungen und Fragen sollten mehr behandelt werden und es sind gewiss viele genug, die dafür Dank wissen, weil sie mehr Halt bekommen, Enttäuschungen besser ertragen und Verkennungen mutiger auf sich nehmen. [...] So treffen Verdammungsworte eines Paulus Homoeroten noch viel tiefer, da die Kirche und ihre Vertreter bei diesen Bibelstellen stehen geblieben sind. [...] Warum hat denn Jesus den Johannes überhaupt geduldet? Warum hat er nicht zu ihm gesagt, wie zu Petrus, als er seinen Meister beschützen wollte: 'Gehe hinter mir, Satan, du bist mir ärgerlich!' [...] Er hat es nicht getan, er hat ihn geliebt, geliebt wie sonst keinen. [...] Das erschütternde Zwiegespräch [mit der dreimaligen Frage Jesu an Petrus: "Hast du mich lieb?"], Joh. 21, Vers 15-22, endet mit Gnade und Vergebung [im dreimal wiederholten Auftrag "Weide meine Lämmer!"]. Nun sollte man meinen, dass Petrus tief gedemütigt [...] nur mit sich und seinen Sünden beschäftigt vor seinem Herrn gestanden. Stattdessen aber 'wandte er sich um und sah den Johannes folgen' und da er 'diesen sah, spricht er zu Jesu: Herr, was soll aber dieser? Jesus spricht zu ihm: So ich will, dass dieser bleibe, bis ich wieder komme, was geht es dich an, folge du mir nach!' [...] Das alte Testament hat verworfen und getötet, Paulus, der Eiferer, hat gestraft und verbannt, Jesus aber will, dass sie bleiben - und bleiben bis er wieder kommt." 

Ernst Ostertag, Juni 2004

Quellenverweise
1

Schweizerisches Freundschafts-Banner, Nr. 6/1936.