1933-1939

"Geistige Landesverteidigung"

Homosexuelle und ihr Einsatz

In den Jahren der Vorkriegs- und Kriegszeit herrschte zumindest in Zürich unter dem toleranten, aber alles Nationalsozialistische ablehnenden Stadtpräsidenten Emil Klöti (1877-1963, Stadtpräsident 1928-1942, SP), keine aktive Homophobie (Homosexuellenfeindlichkeit), zumindest nicht von behördlicher Seite.

Die Gefahr von innen war bedeutend, hatte doch die nazifreundliche Nationale Front 1933 im Stadtzürcher Parlament 10 Sitze erobert - dank einer Listenverbindung mit der damals kurzsichtigen FP (Freisinnige Partei). 1938 gingen alle Sitze wieder verloren.

Zugleich wuchs die Gefahr von aussen von Jahr zu Jahr. Beides nahm die Mehrheit der Bevölkerung als gleich bedrohlich wahr. Man hatte Angst und rückte zusammen. Man hatte denselben Feind und fühlte sich verbunden im Willen, ihm entgegenzutreten und in der Hoffnung, die Gefahr zu bannen. Schliesslich wollte man in Freiheit überleben.

Es gab eine recht grosse Zahl homosexueller Frauen und Männer, die gut informiert und dementsprechend tätig waren. Denn sie standen im öffentlichen Dienst, in der Armee oder den ihr angegliederten, auch Frauen offenstehenden Organisationen, in Pflege- und Hilfsdiensten, bei Radio und Presse. Sie setzten sich ohne Rücksicht auf Gesundheit oder Bequemlichkeit genauso für die Bewahrung der Freiheit ein wie die Mehrzahl des Volkes.

Zudem gab es seit 1922 homosexuelle und oft zugleich politische Emigranten, die im faschistischen Italien gefährdet waren. Ab 1932 kamen sie auch aus Deutschland und zugleich kehrten Schweizer zurück. Viele von ihnen stellten sich in den Dienst der Aufklärung über menschenverachtende Staatsführung, wie sie es selbst erlebt hatten, und halfen aktiv bei dem, was schliesslich die bundesrätliche Botschaft vom 9. Dezember 1938 als "Geistige Landesverteidigung" bezeichnete. Damit sollte eine Art Mobilisation massiv gefördert werden. Der "Anschluss" Österreichs an das Reich am 13. März 1938 hatte sich ausgewirkt wie eine apokalyptische Posaune.

Sichtbarer Höhepunkt dieser Strategie - und Demonstration nach aussen - war die Schweizerische Landesausstellung vom 6. Mai bis 29. Oktober 1939 in Zürich.

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Ernst Ostertag, September 2004