Nationale Front

"d'Frönteler"

Ohne die Beiträge von Annemarie Schwarzenbach hätte "Die Pfeffermühle" kaum ihre wichtige, aufklärende und aufrüttelnde Mission erfüllen können. Dass ihre Botschaft in weite Kreise wirkte und erfolgreich ihr Anliegen über den Bühnenrand hinaustrug, bewiesen die sofort gestarteten hasserfüllten und teilweise massiven Störkampagnen der schweizerischen Nazi-Freunde, vorab jene der Nationalen Front, die man auch "Fröntler" oder "d'Frönteler" nannte. Viele Vorstellungen mussten unter Polizeischutz stattfinden. Erika Mann erinnert sich1:

"Wir wirkten in der Parabel, im Gleichnis und Märchen, unmissverständlich, doch unschuldig - dem Buchstaben nach. Trotzdem hagelte es Proteste von Seiten der NS-Botschafter und Gesandten … In der Tschechoslowakei gab es die Henlein-Leute, in Holland die Banden des Mynheer Mussert, in Belgien diejenigen des L. Degrelle und in der Schweiz die 'Frontisten'. Anno 34 gingen letztere zum bewaffneten Angriff über. Die Saalschlacht tobte, es wurde scharf geschossen - einen Monat lang zog allabendlich die motorisierte Polizei von Zürich Schutzringe um unser Lokal, ohne doch die gefährlichsten Krawalle verhindern zu können. Wir fanden - die Giehse und ich - keine Unterkunft mehr in den Hotels, wohin die 'Patrioten' uns steinewerfend folgten. Meine Eltern wohnten in Küsnacht. Unterwegs dorthin - das war amtlich bekannt - lauerten Entführer, wir sollten 'heim ins Reich'. Der Ford blieb also aus. Blieb der Bus. Und der Küsnachter Schutzmann, der uns abzuholen hatte an der Station. Der Gute. Und wenn nun von unseren Gönnern auch nur zwei oder drei bewaffnet anrückten?"

Valeska Hirsch führte Tagebuch und schrieb daraus in ihren Erinnerungen: "Die Partei der Frontisten hatte an Mitgliedern gewonnen, ich kannte einige Herren aus sehr guter Familie dabei. Und nun begann der unschöne Kampf gegen die 'Pfeffermühle'."2

Eine weitere Illustration zur Lage liefert ein Zürcher Flugblatt vom November 1934:

Gegen die Wühlerei der Emigranten!

Öffentliche Protestkundgebung
in der "Stadthalle"
Mittwoch, den 21. November, 20.15 Uhr

Es sprechen: Henne, Tobler, Wirz

Gegen das jüdische Emigrantenkabarett:

  • "Pfeffermühle", in der alles Nationale und Vaterländische in den Schmutz gezogen wird,
  • Prof. Mannheim, der auf der Bühne des Zürcher Schauspielhauses sein jüdisches Gift verspritzt und die Völker verhetzt,
  • Dr. Fritz Adler, den Ministermörder und Sekretär der II. Internationale, der die schweizerische Gastfreundschaft missbraucht und mit frecher Dreistigkeit dem Schweizervolk Lehren erteilen zu müssen glaubt,
  • Dr. Kurt Löwenstein, der seine minderjährigen Schüler "zu Studienzwecken" in die Bordelle führte und dem Schweizer Arbeiter marxistisch-jüdische Asphalt-"Kultur" beibringen will,

Für die radikale Säuberung der Schweiz vom ganzen Geschmeiss ausländischer Emigranten, das sich schon allzu lange in unserem Lande breit macht.

Zur Deckung der Unkosten wird eine Eintrittsgebühr von 30 Cts. verlangt. Kartenvorverkauf auf der Gauleitung, Zähringerstr. 25 und an der Abendkasse.

NATIONALE FRONT

Verräterisch: Der Begriff "Gauleitung" weist darauf hin, dass die Schweiz von den Nazi-Sympathisanten bereits analog zu Hitlers Deutschland in Gaue aufgeteilt und für diese Gaue auch schon "Gauleiter" ernannt waren, die beim "Anschluss" sofort ihre vorbestimmten Funktionen zu übernehmen hatten.

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Ernst Ostertag, September 2004

Quellenverweise
1

Monika Sperr: Therese Giehse: Ich hab nicht zusagen, Seite 53 ff, C. Berteslmann Verlag, 1973

2

Willi Wottreng, NZZ am Sonntag, 9. Januar 2005, "Musikerin im Welttheater", Nachruf auf Valeska Lindtberg