1933-1969

Flüchtlinge und Verfolgte

Gefährdete Homosexuelle

Homosexuelle waren in grosser Gefahr. Sie wurden in den Diktaturen rund um die Schweiz verfolgt. Gelang die Flucht in unser Land, galt Homosexualität nicht als Grund zur Gewährung des Asylrechts. Man musste andere schwerwiegende Gründe nennen. Juden hatten es anfänglich damit leichter. Sie waren offiziell als Gefährdete anerkannt. Ihre eventuelle Homosexualität blieb leichter verborgen.

Es soll hier zunächst die Lage innerhalb der Führungsgruppe um die Zeitschriften Menschenrecht (1937-1942) und Der Kreis (1943-1967) beschrieben werden. Kam ein Flüchtling unbehelligt bis zu ihrer Tür und klopfte an, kümmerte man sich um ihn und suchte nach Lösungen, unter der Hand und heimlich. Bekannt werden durfte nichts.

Danach sind zwei Beispiele von homosexuellen Juden aufgezeichnet, die ihren eigenen Weg gingen. Der erste ganz offiziell. Sein Aufenthalt in der Schweiz wirft ein Licht darauf, wie (wohl meist in vernünftiger Weise) mit einem prominenten, sich aber offen homosexuell betätigenden Flüchtling umgegangen wurde.

Das zweite Beispiel handelt von einem jungen Deutschen, einem "linken" Studenten, der mit einem Kommilitonen nach Basel kam, wo sich beide - bald mit einem dritten Freund zusammen - unter anderem als Krimi-Autoren über Wasser hielten und zur Anlaufstelle für weitere Verfolgte wurden, bevor sie 1938 in die USA weiterzogen. Dort wurden sie später u.a. als Schriftsteller bekannt.

Das dritte Beispiel schildert in vier Akten die erschütternde Tragödie eines in Würzburg wohnenden Schweizers, homosexuell und Jude, der in die Fänge der Gestapo geriet, gefangen, gefoltert und schliesslich im KZ so brutal behandelt wurde, dass er starb. Die mehrmals informierten Schweizer Behörden haben sich nicht um ihn gekümmert und mit dem Ausspruch des zuständigen Bundesrates und Aussenministers, "die Anwesenheit solcher Leute ist in der Schweiz höchst unerwünscht" war sozusagen das Todesurteil gesprochen.

Für Homosexuelle war die Schweiz trotz neuem StGB nur in wenigen bekannt gewordenen Fällen so etwas wie eine Insel der Zuflucht, für andere war sie das überhaupt nicht. Daher gehören diese Beispiele an dieser Stelle in die Schweizerische Schwulengeschichte. Erst mit dem Wissen um das Schicksal solcher Menschen kann auf die Geschichte der Verfolgung in den Nachbarländern hingewiesen werden. Das geschieht in den späteren Kapiteln des Teils 3.

Ernst Ostertag, September 2010