Rosa Winkel

Die Nazis erfanden in ihren Konzentrationslagern einen Code zur Einteilung der Häftlinge in Kategorien. Dieser sollte die "Gründe" für ihre Inhaftierung deutlich sichtbar machen und hatte überdies stigmatisierend, entwürdigend und ausgrenzend zu wirken. Dadurch wurden die in diesem zynischen System ebenfalls bewusst geschaffenen lagerinternen Hierarchien unter den Häftlingen verschärft.

Zusammen mit dem zusätzlich und willkürlich geförderten Denunziantentum erreichte die Lagerleitung eine meist funktionierende Selbstkontrolle durch sich gegenseitig diskriminierende und bespitzelnde Gefangene. Einen Beweis für die Nachhaltigkeit dieses Systems lieferten die Verbände ehemaliger KZ-Häftlinge selber, indem sie sich bis 40 und mehr Jahre nach dem Krieg weigerten, homosexuelle Mithäftlinge als solche anzuerkennen und sich gegen Erinnerungstafeln an diese Kategorie von Gefangenen mit Erfolg zur Wehr setzten!

Homosexuelle waren die unterste, letzte Schicht. Wenig über ihnen standen die Zigeuner und die Juden, dann die Emigranten, Religiösen, Politischen und zuoberst, wie konnte es anders sein, die Kriminellen.

Auf seiner Kleidung gut sichtbar musste jeder Gefangene zumindest ein gleichseitiges Dreieck so anheften, dass die Spitze nach unten zeigte. Jeder war also klar gezeichnet, denn die Dreiecke, die offiziell Winkel genannt wurden, hatten ihre bestimmten Farben: rosa Winkel für die Homosexuellen, braune für Zigeuner, gelbe für Juden, blaue für Emigranten, violette für Religiöse, rote für Politische und grüne für die Kriminellen. Homosexuelle Juden hatten ein gelbes Dreieck mit Spitze nach oben und darüber den rosa Winkel zu tragen. Soweit nur die Hauptbezeichnungen, es gab noch viele zusätzliche.

Warum Rosa für die Homosexuellen? Weil es, zumindest in Deutschland, die Farbe für neugeborene Mädchen ist.

Dieses aus Menschenverachtung geborene System überdauerte den Naziterror um viele Jahrzehnte! Nicht nur wurden Homosexuelle von den übrigen KZ-Kategorien nie als "vollwertige" Ehemalige anerkannt, sie blieben auch über die Gesetze der Nach-Nazi-Zeit kriminalisiert und von der Gesellschaft ausgegrenzt. Ansprüche auf Wiedergutmachung blieben ihnen sowohl in Deutschland als auch in Österreich, Italien und Frankreich "rechtmässig" bis in die 90er Jahre hinein verwehrt. Auch die Kirchen gaben dieser Politik öffentlich ihren Segen.

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Ernst Ostertag, August 2004