Rückblick
Ein neues Lokal für den "Lesezirkel Veritas"
Was früher noch eine nach aussen kämpferische Liga war, hatte sich langsam aber stetig zum still verborgenen Réduit oder Ghetto gewandelt. Menschenrecht bedeutete nun das Recht auf ein Stücklein Heimat unter seinesgleichen, auf einen Ort ohne Doppelleben, wo man im Kreis von Kameraden mit Niveau ein ganzer Mensch sein durfte. Dazu "Die Redaktion" am Jahresende, Heft 12/1940:
"[...] Wir haben versucht, in schwieriger Zeit durchzuhalten, [...] mit der Form einer Novelle, der Diskussionsbasis eines Artikels, dem Klang eines Gedichtes für unsere Menschenrechte die Stimme zu erheben: für das Recht zu leben ohne die Rechte eines anderen zu verletzen. [...] Wir glauben, dass man diese Blätter dem einen und anderen in die Hand drücken darf mit der Mahnung: Sieh, auch das ist unsere Welt! Das haben Dichter geschrieben, das haben Gelehrte als richtig erkannt, hervorragende Männer. Glaubst Du nicht, dass dieser Kampf ein gerechter ist, wenn heute auch noch Berge des Unverstands dagegen stehen?"
Dann folgten Hinweise:
Am 22. Dezember um 14 Uhr sei Jahresversammlung und dabei werde auch die Buchhaltung präsentiert.
"Die vorhandene Abonnentenzahl reicht immer noch nicht aus, um alle Druck- und übrigen Unkosten (Porti) bestreiten zu können. [...] Es gingen uns - ohne die Holländer [durch die deutsche Besetzung] - 20 Abonnenten verloren."
Es wurde daher wie im Vorjahr um eine schriftliche Abonnementszusage gebeten.
"Die beiliegende Eintrittskarte ist nur persönlich und unter keinen Umständen übertragbar. [...] Der auswärtigen Abonnenten wegen bitten wir dringend um pünktliches Erscheinen, damit wir die vorgesehenen Zeiten für die Jahresversammlung, für den festlichen und den gemütlichen Teil wie auch für das gemeinsame Essen einhalten können.
Unsere Weihnachtsfeier, die punkt 17 Uhr beginnt, wollen wir der Zeit entsprechend gestalten: einfach, herzlich, ohne lauten Betrieb. [...] Wir wollen nicht vergessen, dass zur gleichen Zeit ungeheuer viel Leid in der Welt ist - und wir in diesen festlichen Stunden eine Gnade geniessen, um die uns Tausende in anderen Ländern beneiden."
Das Lokal befand sich nun im Hotel "Rothaus" an der Marktgasse 17, 1. Stock.2 Das geht aus einer Beilage zum MR 4/1941 hervor, worin es unter Angabe der Adresse "unseres Lokals" hiess:
"Ostern feiern! Von nachmittags 2-3 Uhr wird Rolf vortragen, nachher können wir ununterbrochen bis nachts 12 Uhr tanzen. Für die Nichttänzer liegen Bildersammlungen und gute, einschlägige Literatur auf. [...] Die Zusammenkunft gilt nur für Abonnenten! Bitte am Eingang sich mit dieser Einladung ausweisen! [...] Für den Lesezirkel 'Veritas': Die Redaktion".1
Ernst Ostertag, August 2004
Quellenverweise
- 1
Menschenrecht, 4/1941, Beilage, ein Original dieser Beilage befindet sich im sas
Anmerkungen
- 2
gegenüber den späteren Schwulen-Treffs T&M, AAAH! und Hotel "Goldenes Schwert"