Kampf ums Recht

… gut getarnt

Die Zeit­schrift konnte nur kon­ti­nu­ier­lich her­aus­ge­ge­ben werden, weil gewisse Freund­schafts­ban­de dis­kre­ten Schutz vor mehrmals ver­such­ter In­di­zie­rung ge­währ­ten.

Anlass zu grösster Vorsicht gab auch die ver­mu­te­te Aufnahme des Kreis in die Liste der deut­schen Bun­des­prüf­stel­le über "Ju­gend­ge­fähr­den­de Schrif­ten" um Ende 1958, weil die Kreis-Nummern für deutsche Abon­nen­ten ab dieser Zeit nur noch heimlich nach Konstanz zum Versand gebracht werden konnten. Erst 1961 erhielt Harry Hermann in Reut­lin­gen - ver­mut­lich auf Umwegen - die konkrete Mit­tei­lung, dass die Bun­des­prüf­stel­le Bad Go­des­berg per Ent­schei­dung Nr. 537 vom 17. Oktober 1958 die In­di­zie­rung des Kreis vor­ge­nom­men und im Bun­des­an­zei­ger vom 24. Oktober 1958 pu­bli­ziert habe.1

Daher waren alle überaus vor­sich­tig und tarnten sich. Aussagen von Mit­glie­dern zum Versand der Zeit­schrift in der Wohnung von Hermann und Stiefel:

"Un­be­dingt sollte der Eindruck ver­mie­den werden, es handle sich um eine um­fang­rei­che Sendung. Die Adressen wurden deshalb nicht auf­ge­klebt wie beim Kreis, sondern einzeln von Hand ge­schrie­ben."

Es be­tei­lig­ten sich viele daran,

"um un­ter­schied­li­che Hand­schrif­ten zu haben. Jeder von uns nahm einen Stapel Hefte in neu­tra­lem Umschlag und warf sie stück­wei­se an ver­schie­de­nen Orten in die Post­käs­ten ein.

Die Wohnung war so bieder wie möglich ein­ge­rich­tet, ein­schlä­gi­ge Gemälde oder Fotos fehlten. Die Besucher wurden dazu an­ge­hal­ten, nie gleich­zei­tig zu er­schei­nen und ihre Autos oder Fahr­rä­der in anderen Strassen ab­zu­stel­len. Auf Weisung von Harry durften nicht einmal die Vorhänge zu­ge­zo­gen werden: man hatte ja nichts zu ver­ber­gen."2

Im Kampf um die Li­be­ra­li­sie­rung des §175 spielte "die runde" eine wichtige Rolle. Die Strei­chung un­mensch­li­cher Gesetze war von Anfang an ihr po­li­ti­sches Haupt­ziel. Als im Sep­tem­ber 1969 unter Jus­tiz­mi­nis­ter Gustav Hei­nemann trotz grosser Einwände, vor allem seitens der ka­tho­li­schen Kirche, die li­be­ra­li­sier­te Form des §175 ver­ab­schie­det wurde und in Kraft trat, gab Harry Hermann an Weih­nach­ten 1969 die Auf­lö­sung der "runde" bekannt.

Ernst Ostertag, März 2005

Quellenverweise
1

Bun­des­an­zei­ger Nr. 205 vom 24. Oktober 1958 und Mit­tei­lung der Bun­des­prüf­stel­le für ju­gend­ge­fähr­den­de Schrif­ten in Bad Go­des­berg an Harry Hermann, Reut­lin­gen, datiert 27. Dezember 1961

2

Karl-Heinz Steinle: Die Geschichte der "Kameradschaft die runde" 1950 bis 1969. Hefte des Schwulen Museums, Berlin, 1998, Seite 27