1955
Theaterstück
... von James Barr, Hintergründe
Im Oktober-Heft des Kreis wurde zunächst James (Barr) Fugaté im deutschen Teil mit dem Bericht über die Verhöre vor Militärgericht und seine Entlassung aus der US-Marine vorgestellt. Das war wichtiges Vorwissen für sein Theaterstück.1
Für heutige Leser ist diese von Rudolf Jung übersetzte Schilderung eines der seltenen Zeugnisse eines Homosexuellen über die Nazi-ähnlichen Verhörmethoden, die während der berüchtigten Ära von Senator Joseph McCarthy in den USA üblich waren.
"A Mosaic of Ideas and Ideals" hiess ein von James Fugaté speziell für die Aufführung am Herbstfest geschriebener Artikel. Er erschien als Original im englichen Teil des Oktober-Heftes. Darin dankte der Autor für die einmalige Chance und erklärte unter anderem seine Motivation, überhaupt Theaterstücke zu schreiben2.
Die Einführung zu diesem Artikel (S. 30) und ein Abschnitt daraus, der sich auf das Stück "Game of Fools" bezieht (S. 31), seien hier zitiert:
"Written especially for Der Kreis on the eve of the first production anywhere of the author's first play, Game of Fools, as a part of the entertainment for the Autumn Festival, 1 October 1955, in Zurich, Switzerland."
"[...]Therefore, since it has hovered so menacingly over homosexuality for so many centuries, it was logical for me to choose Religion as the background before which I would set my characters and their problems. Homosexuals, like all men, must live by a face - or a lack of it. I have observed, perhaps too keenly, in some of my less fortunate friends the almost incurabe horrors to be suffered from the accident of believing in a faith that is totally incompatible with their natural inclinations. It seemed well to try to expose this situation, and at the same time the reverse of the medal. The result was not to be an all out attack for the annihilation of the churches as such, but rather a pattern of revolutionary thinking to point up to the individual his strength and his precious right to choose or discard as he wishes. No man should be coerced into going to Heaven, especially via a fallible clergy. [...]"4
Ein (vermutlich amerikanischer) Abonnent und Festbesucher äusserte sich in einem Brief unter dem Zeichen "RYS." zum Theaterstück, veröffentlicht im selben Oktober-Heft, S. 35:
"It was a surprise on my first visit to a gathering of the 'Kreis' to witness the performance of a play, which although written in America, will in all probability never be produced there. The play in question was the last act [...] of James Barr's GAME OF FOOLS. Due to Rudolf Jung's faithful translation, Rolf's excellent direction and acting as well as to the efforts of the entire cast and stage workers the 500 members and guests present from all over the world were able to see acted out on the stage a subject which concerns us all very deeply. It was quite striking here in friendly Switzerland to see depicted the harsh police-methods employed in the United States (and elsewhere) against homosexuals."5
Auch Johannes Werres, der im Stück mitspielte, schrieb als Jack Argo einen Bericht "Ich war dabei…"3:
"[...] Der Ausklang am Sonntagnachmittag brachte auf der Bühne ebenfalls einige improvisierte Überraschungen von spielfreudigen Kameraden. Man spürte: Hier wird das meiste schon von einer Tradition getragen. Hier ist eine feste Gemeinschaft entstanden, deren Kern stark genug ist, auch gelegentliche ausländische Besucher einzubeziehen, [...]. Das gab dem deutschen Besucher ein schwer zu beschreibendes Gefühl der Sicherheit, des Beruhigtseindürfens, (die Anwesenheit der Beamten der Sittenpolizei bestärkte es übrigens) des ganz und gar nicht Illegalen, wie man es in vielen deutschen Ländern verspürt, wo man anscheinend 'darf', obgleich ein Gesetz es 'verbietet'. [...]
Rolf leistet hinter und vor den Kulissen Erstaunliches, was ihn selbst angeht, und Überragendes, was die Kunst betrifft, vor allem die Kunst der Improvisation und der Menschenführung. [...] Die Aufführung eines so schwierigen Stückes wie 'Die Entscheidung' von James Barr [...] hätte ohne die [...] Leitung Rolfs problematisch werden können. [...]
Ich habe das Verlangen, diesem so aufgeschlossenen Publikum - es waren um 500 Festbesucher - für seine Resonanz zu danken und damit vor allem dafür, [...] dass es dieses amerikanische Problemstück auch für uns Europäer als gültiges Anliegen wirksam und unüberhörbar erkannte. [...]
Zahlreiche Kameraden aus aller Welt, auch solche, die kein Deutsch verstanden, haben 'Franchy' und mir, vor allem aber auch dem Frauendarsteller der Mrs. O'Reiley anschliessend für unser Spiel gedankt. Diese spontanen Äusserungen mögen Rolf und seine Mitarbeiter ermutigen [...], an einem so fröhlichen Fest getrost auch weiterhin ein ernstes [...] Stück zur Diskussion zu stellen."
"Franchy" wurde dargestellt vom österreichischen Schauspieler "Wolf", "Mrs. O'Reiley" von Röbi Rapp.
Ernst Ostertag, Mai 2005
Weiterführende Links intern
Quellenverweise
- 1
Der Kreis, Nr. 10/1955, S.6
- 2
Der Kreis, Nr. 10/1955, Seite 30
- 3
Der Kreis, Nr. 10/1955, Seite 14
Anmerkungen
- 4
"Aus 'A Mosaic of Ideas and Ideals' von James (Barr) Fugaté, verfasst für Der Kreis am Vorabend der Uraufführung seines ersten Theaterstücks, GAME OF FOOLS (Spiel von Narren), im Unterhaltungsteil des Herbstfestes vom 1. Oktober 1955 in Zürich, Schweiz."
"[...] Für mich war es logisch, Religion als Hintergrund zu nehmen, vor den ich meine Personen und ihre Probleme stellen würde, denn sie war es, die während Jahrhunderten bedrohlich über dem Thema Homosexualität lastete. Wie alle Menschen müssen auch Homosexuelle mit einem (religiösen) Glauben leben - oder keinen haben. Ich beobachtete, vielleicht zu scharf, bei einigen meiner weniger glücklichen Freunde den fast unheilbaren Gewissenskonflikt, welchen sie wegen des Unglücks durchlitten, einem Glauben verbunden zu sein, der mit ihrer natürlichen Neigung total unvereinbar war. So erschien es richtig, diese Situation darzustellen und zugleich die andere Seite der Medaille sichtbar zu machen: Das Ganze sollte kein Angriff zur Vernichtung der Kirchen als solche sein, wohl aber eine Möglichkeit, ein Muster aufzeigen für ein alles veränderndes Denken, welches dem Einzelnen seine Fähigkeit und das Recht bewusst macht, frei wählen oder ablehnen zu können. Kein Mensch darf auf den Weg zum Himmel gezwungen werden, schon gar nicht durch einen fehlbaren Klerus. [...]"- 5
"Welche Überraschung beim ersten Besuch einer festlichen KREIS-Veranstaltung Zeuge zu werden eines Theaterstücks, das zwar in Amerika geschrieben wurde, aber dort höchst wahrscheinlich nie zur Aufführung gelangen wird. Es handelte sich um den letzten Akt [...] von James Barr's GAME OF FOOLS. Dank Rudolf Jungs getreuer Übersetzung, Rolfs hervorragender Regie und schauspielerischer Darstellung samt den grossen Anstrengungen der Theatergruppe und der Bühnenarbeiter konnten die 500 aus aller Welt herbeigereisten Abonnenten und Gäste dieses Stück erleben, das ein Thema auf die Bühne brachte, welches uns alle zutiefst betrifft. Besonders beeindruckend hier in der freundlichen Schweiz die harten Polizei-Methoden dargestellt zu sehen, die in den Vereinigten Staaten (und anderswo) gegen Homosexuelle angewendet werden."