Die Weihnachtsfeiern

... eine einzige grosse Familie

Für viele bedeutete es das einzige weihnächtliche Beisammensein überhaupt. Denn vor allem ältere, aber auch etliche junge Abonnenten hatten keinerlei Verbindung mehr zu ihrer Familie und wenn sie nicht in festen Beziehungen lebten, verbrachten sie die Festtage meist einsam.

Um die in diesen Tagen allgemein grössere Suizidgefahr wenigstens unter KREIS-Kameraden möglichst tief zu halten oder ganz zu bannen, gehörten Weihnachten und Silvester/Neujahr als fixe Anlässe zum Jahresprogramm, die selbst dann - mit zwei Ausnahmen - realisiert wurden, als das Lokal verloren war.

Der Abend begann am reich dotierten Büchertisch, wo als Geschenke für Freunde auch Zeichnungen und künstlerisch wertvolle Akt-Fotos zu kaufen waren. Dazu erklang Musik vom Plattenteller und natürlich setzte man sich zu Gesprächen zusammen. Um 21.30 Uhr folgte die Begrüssung in drei Sprachen.

Kernstück des Abends war immer ein Spiel der Theatergruppe, die mit Proben sofort nach dem Herbstfest begann. Zuvor wurde die Feier mit Lichterbaum, Musikstücken, Gedichten, Liedern und einer Ansprache gestaltet. Diese Ansprache (nicht Predigt) hielt Karl Meier / Rolf sehr oft selber; gelegentlich ersetzte ihn ein dazu berufener Abonnent oder ein "verständnisvoller" Pater/Priester oder protestantischer Pfarrer. Gebetet wurde nie. Denn es gab viele, die aus ihrer Kirche ausgetreten waren und das Christentum nach persönlicher Façon lebten oder es gänzlich verlassen hatten.

Sobald die Lichter am Baum brannten, entzündete Karl Meier die Kerzen für verstorbene Kameraden. Ab 1962 stand immer eine besonders grosse für Mammina dabei. Sie ist in jenem Jahr gestorben.

An den Mittwochtreffs im Advent abgegebene kleine Geschenke lagen, versehen mit Nummern, auf einem Tisch bei den Kerzen. Kurz vor Mitternacht erschien der meist von Karl Meier gespielte Weihnachtsmann und verteilte Nummern-Lose für diese Gaben. Dann setzte man sich zum Nachtimbiss im Kerzenschimmer und ab ungefähr 1 Uhr hiess es "froher Ausklang" (Tanz) und gemütliches Zusammensein bis in die Morgenstunden.

Ernst Ostertag, Mai 2005