1942

Lesezirkel

Im Lauf des Jahres 1942, mit dessen Beginn das eidgenössische StGB in Kraft trat und homosexuelle Akte unter Erwachsenen straffrei wurden, suchten die beiden Redaktoren, Karl Meier / Rolf und Eugen Laubacher / Charles Welti, nach einer neuen Form des Zusammenseins.

Die "Liga für Menschenrechte" gab es nicht mehr, das Heft Menschenrecht stand mit diesem Titel sozusagen in der Luft. Der Kampf um das neue Gesetz war vorbei. Es galt, sich den Umständen entsprechend einzurichten. Der Platz war vorgezeichnet: Die Homosexuellen hatten, was sie wollten, jetzt sollten sie ruhig sein. Das "leidige Thema" war vom Tisch.

Man steuerte ruhigere Gewässer an. Man musste unter sich bleiben. Also wollte man eine verschwiegene Gesellschaft von kultivierten, vielseitig interessierten, aufgeschlossenen Menschen gründen.

Ihr Treffpunkt sollte ein Ort der Begegnung, des Gesprächs und der lockeren Verbindung sein. Zugleich würde damit eine Art Zuflucht geschaffen, in der sich jeder natürlich geben und die dauernde Isolation, das Versteckspiel im beruflichen, familiären oder sonstigen Umfeld wenigstens für Stunden aufheben und vergessen könnte.

Zusammengefasst: Die neue Lage verlangte kein mutiges Einstehen für Menschenrechte, sie rief nach einem Refugium, einem stillen, aber auch heiteren Kreis von Gleichgesinnten. Dies mit einer sie alle verbindenden, hochwertigen Zeitschrift, welche getrost jedem Aussenstehenden zu Informations- und Aufklärungszwecken in die Hand gedrückt werden konnte.

Ernst Ostertag, Oktober 2010