Graue Eminenz

1955 war ich (Ernst Ostertag) gut 25 und konnte Karl Meier / Rolf beweisen, dass ich jetzt ge­wähl­ter Lehrer in der Stadt Zürich sei und somit seine Be­din­gung erfülle. Denn 18 Monate zuvor hatte er die Aufnahme als Abonnent ver­wei­gert; für einen noch nicht Ge­wähl­ten sei das zu ge­fähr­lich.

Ich wollte nun irgendwo mit­hel­fen. Meiner Sprach­kennt­nis­se wegen schickte mich Rolf zu den Re­dak­to­ren des fran­zö­si­schen und eng­li­schen Teils. So kam es, dass ich diese beiden Herren näher kennen lernte und ge­le­gent­lich Hilfs­diens­te leisten durfte. Später nahm mich Rolf auch als Hilfs­re­gis­seur in die Thea­ter­grup­pe.

An den Mitt­woch­aben­den hörte ich wenig Gutes über Eugen Lau­ba­cher / Charles Welti. Er sei arrogant, unnahbar und bestimme mit seinem Geld vieles aus dem Hin­ter­grund. Ich fand rasch, dass ausser einem gewissen Wohl­stand nichts davon stimmte. Charles war ein freund­li­cher, ja gütiger Mann mit per­fek­ten Um­gangs­for­men und zugleich einer selbst­ver­ständ­li­chen Au­to­ri­tät. Ich habe ihn von Anfang an ge­schätzt und be­wun­dert und verdanke ihm einiges - aber das wurde mir erst Jahre später bewusst.

Jeder Abonnent kannte ihn als Charles Welti, auch Röbi Rapp, den ich 1956 im KREIS ken­nen­lern­te. Charles war bei jedem Auftritt der Thea­ter­grup­pe und bei jeder Cabaret-Nummer anwesend, meist hinten im Thea­ter­saal. Nach der Vor­füh­rung ver­schwand er wieder. Er be­wun­der­te Röbis Kunst der Frau­en­dar­stel­lung, was er ihm auch wie­der­holt mit­teil­te.

Ernst Ostertag, Januar 2005