Hohes Risiko

... bewusst gewählter Einsatz

1938 wurde die Abstimmung über das schweizerische Strafgesetzbuch fällig. Laut Gesetz sollte es danach für homosexuelle Handlungen unter Volljährigen kein Gefängnis mehr geben. Doch die gesellschaftliche Ächtung würde bleiben. Der Zwang zum Doppelleben war nicht aufgehoben.

Eugen Laubacher hatte schon zuvor die Zeitschrift Menschenrecht gelesen und ihre beiden mutigen Herausgeber hoch geachtet. Nun wollte er seinen Einsatz leisten. Er plante das minuziös. Er schuf seiner anderen, geheimen Persönlichkeit einen Namen und eine eigene Existenz: Charles Welti, Mitarbeiter der literarischen Zeitschrift und Organisation eines Kreises von einwandfreien, vielseitig interessierten homosexuellen Männern.

Ab 1943 wuchs die Zeitschrift Der Kreis unaufhörlich. Charles Welti erweiterte den französischen Teil sukzessive und gestaltete ihn bis 1954 zum viel beachteten einzigen Organ für einschlägige Literatur im französischen Sprachraum. Anfänglich musste er noch manche Texte selber verfassen, meist unter einem Pseudonym wie "Lucien Borgo", "William" und anderen, weil er den Gedanken nicht ertrug, Abonnenten könnten bemerken, dass Mitarbeiter fehlten. Dann gelang es, im Genfer Ric eine Hilfskraft und in Verbindung mit einem Kameraden aus Vevey, Philippe Marnier, auch Autoren in Frankreich zu finden.

Über viele seiner Mitarbeiter berichtete er in der letzten Ausgabe des Kreis, 12/1967, unter dem Titel "En guise d'adieu".

Ernst Ostertag, Januar 2005