1907-1973

Rudolf Jung / Rudolf Burkhardt

Ein §175-Flüchtling wird Schweizer

Seine Verbindungen zur USA und die homosexuelle Veranlagung zwangen den DDR-Bürger Rudolf Jung 1950 zur Flucht nach England, wo allerdings ein gleichwertiger Gesetzes-Paragraph tägliche Bedrohung war. Er suchte mehr Sicherheit und fand den KREIS. Denn die Zeitschrift wollte dreisprachig werden.

Nach der Übersiedlung mit Arbeitsbewilligung als Lektor im Betrieb der Anglo-amerikanischen Buchhandlung eines Zürcher KREIS-Abonnenten wurde er als Rudolf Burkhardt zum Redaktor des neuen englischen Teils, versteckt natürlich.

Er war ein unermüdlicher Schaffer mit vielen Beziehungen zu gleich veranlagten Künstlern aller Sparten in der englischsprachigen Welt. In kurzer Zeit wurde Der Kreis - Le Cercle - The Circle zum international bekannten Magazin, dessen Texte und Illustrationen einmalig waren.

Ebenso international wurden auch die grossen Festlichkeiten, vor allem die Herbstfeste. Denn Rudolf übersetzte aktuelle dramatische Werke amerikanischer Autoren, die sonst nirgendwo zur Aufführung gelangten und bearbeitete sie für die KREIS-Theatertruppe. Natürlich wählte er stets andere Namen für alles, was er veröffentlichte, denn offiziell blieb er Lektor bei jener Buchhandlung.

Seine private Natur verbarg er sorgsam und fantasievoll. So konnte schliesslich nach Ablauf der vorgeschriebenen und ohne jede Beanstandung verbrachten Aufenthaltsjahre in derselben schweizerischen Gemeinde das Gesuch zum Erwerb des Bürgerrechts gestellt werden. Rudolf Jung erhielt den Schweizerpass und war endlich kein Exilierter mehr. Das war 1966, ein Jahr vor dem Ende des KREIS.

Rudolf war ein humorvoller Mensch mit scharfem Witz. Diese und andere Seiten seiner nach aussenhin schillernden Persönlichkeit sind in den nun folgenden Unterkapiteln erkennbar gemacht und ausgelegt worden und bilden sozusagen ein buntes Bild, wie die Palette eines Malers.

Ernst Ostertag, November 2010