Spätere Geschichte

In den 60er Jahren wirkte im Barfüsser die bekannte und beliebte Lesbe Liva Tresch als passionierte Hof-Fotografin1. Trotz Polizeirazzien und Schikanen liessen sich die Gäste nicht vertreiben. Es stiegen jetzt, wo der KREIS sein Lokal verloren hatte, ausgelassene Feste mit buntem Treiben. Die Stimmung war grossartig, der Zusammenhalt auch, denn man wollte es "denen" zeigen, jetzt erst recht! Ausweise hatte man nun immer dabei. Damit war zumindest ein "Abschleppen auf den Posten" weitgehend gebannt.

Nach dem Tode ihres Mannes führte Ella Zimmermann von 1973 bis 1987 das Lokal allein, dann stand ihr die Tochter und später auch deren Mann zur Seite.

Zum 50-Jahr-Jubiläum des "Barfüssers" schrieb Ralf Kaminski für den Tages-Anzeiger einen Aufsatz mit dem Titel "Eine Heimat für die Ausgestossenen" und zitierte darin auch die bald 80-jährige Ella Zimmermann2:

"[...] Der Grund übrigens, weshalb alle Lokale [vor dem 'Barfüsser' waren es noch zwei andere] der Zimmermanns zu Treffpunkten für Schwule wurden, war ein Kellner. 'Er war homosexuell und hat nirgends Arbeit bekommen. Wir haben ihn angestellt - und mit ihm kamen die Schwulen.' [...] Anfang der 90er-Jahre beherrschten Drogenkonsumenten einen Teil des Lokals, ausserdem wurde es zum Treffpunkt für Lederkerle und starke Männer mit Bärten und Holzfällerhemden."

Der Betreiber des Lokals für die "Lederkerle" und bärtigen Männer, "Bären" oder Bears, wie sie sich nannten, ging 2001 Konkurs.

Nun wollte die Stadt Zürich - seit 1971 Eigentümerin des Hauses - ein Geschäftslokal daraus machen, was zu Protestaktionen vor allem aus der Schwulen- und Lesbenszene führte.

Man fand den Kompromiss darin, dass nach einer gründlichen Renovation und Neugestaltung ein neues Leiterteam ab 2002 das nun trendige Restaurant mit Sushi-Bar und bequemen Sitzgruppen als neu-alter "Barfüsser", Treffpunkt (auch) für Lesben und Schwule, weiterführen sollte. Und selbst der Mönch mit Wanderstab und Flasche fand wieder seinen traditionellen Platz über dem Eingang Spitalgasse, allerdings war er jetzt von Kopf bis Fuss grell rotorange gestrichen und somit, zur Silhouette abstrahiert, dem neuen Interieur farblich angepasst.

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Ernst Ostertag, Mai 2005

Quellenverweise
1

Dokumentiert im Film "Katzenball" von Veronika Minder, 2005

2

Tages-Anzeiger, 20. Mai 2006, Seite 24