Entscheidendes Jahr 1978

In die Öffentlichkeit! Der gesellschaftliche Aufbruch

Sechs Jahre nach den Gründungen der ersten HA-Gruppen (HAZ, HABS und HAB, gegr. 1972) waren die organisierten Homosexuellen des Landes bereit und entschlossen, gemeinsam mit Aktionen an die Öffentlichkeit zu treten. Sie wollten ihre berechtigten Anliegen nicht nur bekannt machen, sie wollten auch deren Verwirklichung einfordern. Und sie wollten das mit allem Nachdruck tun.

Einen ersten Anlass bot die Telearena des Schweizer Fernsehens vom 12. April 1978 - und er wurde zu einer Art Probelauf. Telearena war eine beliebte Sendereihe mit Diskussionsrunde zu einem bestimmten Thema. Diesmal ging es um Homosexualität.

Die Idee dazu stammte vom schwulen Chefaufnahmeleiter Joe/Jo Stadelmann (1940-2003). Der Verlauf dieser teilweise turbulenten Sendung zeigte unübersehbar die - allerdings nicht nur selbstverschuldeten - Mängel an sorgfältiger Koordination und Vorbereitung seitens der Schwulen. Sie zeigte auch deutlich die ungerechte Ausschliessung der Lesben, vom Fernsehen bewusst so praktiziert. Insgesamt aber wirkte sie wie ein Paukenschlag, der Hunderttausende aufrüttelte und heftigste Reaktionen auslöste. 

Den zweiten Anlass organisierten die Betroffenen selber. Sie hatten aus den Fehlern gelernt. Nun ging es darum, die Homo-Register der Polizei öffentlich zu bekämpfen und zum Verschwinden zu bringen. Dazu konzentrierte man sich zunächst auf das bekannteste aller Register, jenes von Zürich. Man tat dies gezielt im vollen Wissen um die Signalwirkung eines Sieges in dieser Stadt. Die Register andernorts, vor allem in Bern und Basel, wären dann leichter zu eliminieren. 

Die Durchführung eines ersten CSD in der Schweiz wurde mit der Unterschriftensammlung für eine Petition zur Abschaffung der Schwulenregister verkoppelt. Dazu traten erstmals alle Organisationen gemeinsam in die Öffentlichkeit: die Lesben (Homosexuelle Frauengruppe Zürich, HFG) und die Schwulen (SOH, Schweizerische Organisation der Homophilen), und HAZ/HACH, (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich mit ihrer Dachorganisation). Dies geschah am 24. Juni 1978 in Zürich, der Auftritt war ein Erfolg.

Von diesem Tag an lief die Kampagne auf drei Ebenen weiter: in den Medien, in der Politik und bei der Polizei. Sie führte im Februar 1979 zum vollständigen Sieg. Nun konnte in anderen Städten das Verschwinden dieser Form massiver Diskriminierung auf ähnliche Weise angegangen und durchgeführt werden.

Erfahrungen solcher Art wiesen Wege zur Abschaffung anderer Verweigerungen/Ausgrenzungen. Es begann der Kampf um gleiche Rechte: Beim Strafgesetz (1992), in der neuen Bundesverfassung (1999), mit dem Partnerschaftsgesetz für Gleichgeschlechtliche (2007). Das Letztere brachte eine weitgehende, aber noch nicht vollständige Gleichstellung.

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Ernst Ostertag, Juli 2011