ab 1988
C+H, Genève
Chrétiens et homosexuels, eine HuK der Romandie
Homosexuelle Christen standen in der Romandie vor derselben Situation wie in der übrigen Schweiz: Als Christen, die ihren Glauben offen bekannten, erlebten sie bei den schwul-lesbsichen Organisationen Zurückhaltung, gelegentlich Verständnislosigkeit. Als Homosexuelle, die ihre Lebensform offen praktizierten, stiessen sie bei ihren angestammten Kirchen auf Ablehnung. Sie wollten aber keine neue, eigene Kirche gründen.
Also schufen sie eine Arbeitsgruppe und nannten diese C+H (Chrétiens et homosexuels, Christen und Homosexuelle). Das geschah 1988. Zur völlig eigenständigen Organisation jedoch mochten oder konnten sie - vorab aus personellen Gründen - nicht werden. Sie fanden sich als Sektion von Dialogai (Genf) am richtigen, ihnen gemässen Platz und blieben dort bis heute.
Eigentlicher Initiant und Mitbegründer von C+H war der Theologe Jean-Paul Guisan, später (bis 2010) langjähriger secrétaire romand von Antenne gaie, wie Pink Cross in der Romandie heisst. Sitz war zunächst Lausanne, dann Genf.
C+H war von Anfang an nicht nur auf Genf bezogen; die Mitglieder stammen aus der ganzen französisch sprechenden Schweiz.
Wie bei der HuK führten ein recht hoher Leidensdruck und das Beispiel von bereits existierenden Gruppierungen mit denselben Wünschen, Hoffnungen und Zielsetzungen zum Zusammenschluss. Man befand sich als Lesbe oder Schwuler in einer schwierigen Lage seitens der gläubigen Umgebung (Familie, Kirchgemeinde) und fühlte sich anderseits in der Gay Community als religiöser Mensch nicht wirklich integriert. Das Zusammensein mit anderen homosexuellen Christen empfanden viele als neue Heimat. Über ihre Zusammenkünfte und Aktionen berichteten unter anderem (bis heute, 2011) die Publikationen von Dialogai entweder elektronisch oder in der gedruckten Dialogai Info-Agenda.
So etwa jene Ausgabe Nr.11 vom Januar 2005, in der ein geschichtlicher Rückblick auf wichtige Ereignisse und noch immer aktuelle Angebote hinwies. Daraus zwei Abschnitte in Übersetzung:
1992 hat die Eglise Protestante de Genève die Möglichkeit von Einsegnungen gleichgeschlechtlicher Paare zurückgewiesen. Die Groupe C+H entschloss sich darauf zur Herausgabe einer aufklärenden Broschüre, "Le fait homosexuel" aus der Sicht homosexueller Christen. Sie wurde 1993 der Presse vorgestellt und an eine grosse Zahl kirchlicher Mitarbeiter und Kirchenbehörden in Genf und in der ganzen Romandie versandt.
2003/04 rief die Groupe C+H eine Kommission ins Leben, die über die Frage der Einsegnung von gleichgeschlechtlichen Paaren nachzudenken hatte. Anschliessend schuf sie ein Arbeitsdokument, das diesmal an ausgewählte kirchliche Instanzen ging.
Seit etlichen Jahren veranstaltet die Groupe C+H pro Monat einen ökumenischen Gottesdienst, der öffentlich, also für alle zugänglich ist. Das Ziel dabei ist nicht, andere Gottesdienste zu konkurrenzieren oder eine eigene Kirche für Homosexuelle zu sein. Das Ziel ist, alle vier Wochen einen Gottesdienst anzubieten, im dem der Glaube von Mitgliedern der Groupe C+H und aller anderen Interessierten zum Ausdruck kommt. Vor allem aber soll sich jeder und jede willkommen und angenommen fühlen, so wie er/sie als Mensch ist, was nicht unbedingt dort zutrifft, wo er/sie die angestammte "normale" Kirche hat. Zudem werden diese Gottesdienste gerne von jenen Heteros besucht, die auf der Pirsch nach "Frischluft" sind, also den Drang nach Ideen zur Verwirklichung alternativer und innovativer Formen von "célébrations" haben.
Die Groupe C+H existiert noch heute als eine der aktiven Sektionen von Dialogai.
Ernst Ostertag, Oktober 2007, ergänzt Juli 2011