1974
Programm und Tagung
Ablauf und Kritik
Hauptpunkte des Boldern-Wochenendprogramms unter dem Titel "Probleme der Homosexualität":
- Gruppenarbeit (Erfahrungsaustausch, Was verstehen wir unter Homosexualität?)
- Tonbildschau "Homosexuelle - Menschen wie du und ich?" (gemacht von Pfr. Paul Kohler und Pfr. Thomas Preiswerk)
- Referat "Synode 72 und Homosexualität" (Dr. Joseph Duss-von Werdt, Ehe- und Familienwissenschaftliches Institut, Zürich)
- Referat "Homotropie und Christentum" (Dr. Herman van de Spijker, Holland)
- Podiumsgespräch: "Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Gehörten und Besprochenen?"
Im Rückblick sah die HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich) ihre beiden Vorbereitungstreffen anders:1
"Das Programm dieser Vorbereitung war auf der - wie sich an der Tagung zeigte - falschen Annahme aufgebaut, dass relativ wenige Homosexuelle einer Überzahl von interessierten Heterosexuellen gegenüberstehen würden. [...] Das Hauptziel [...] bestand deshalb darin, als HAZ-Mitglied im Gruppengespräch immer aus einer Position der Ruhe und Sachlichkeit heraus reagieren zu können. [...]
Unsere Ziele [...] zusammengefasst:
- Vorurteile aufdecken
- Vorurteile abbauen durch umfassende Information
- Denkschemata anzweifeln
- Im persönlichen Gespräch sich gegenseitig akzeptieren (auch den Homosexuellen als Menschen, nicht aber als Patienten).
[...] Die Tonbildschau [...] der beiden Basler Pfarrer wurde von den Teilnehmern der Vorbereitungstagung ausführlich diskutiert und kritisiert. Man kam dabei zu folgendem Ergebnis: Die Tonbildschau ist so angelegt, dass sie beim Betrachter Mitleid für eine kranke Minderheit erweckt und mit dem Schluss endet: Homosexuelle sind trotzdem Menschen (wie du und ich). [...] Der Homosexuelle ist zwar nicht mehr ein sündiger und lasterhafter Mensch (wie bis anhin in der kirchlichen Tradition), sondern er wird zum Kranken, den man als solchen tolerieren muss. [...] Die von den Verfassern der Tonbildschau geforderte Toleranz für solche als krank und psychisch deformiert dargestellte Menschen lehnen wir als geschmacklose Zumutung ab."
Zur Tagung selbst berichtete das HAZinfo u.a.:2
"Entgegen unseren Erwartungen waren etwa 80% der Teilnehmer Homosexuelle (zum Teil gaben sie sich erst im Verlauf der Tagung als solche zu erkennen). Damit war das Zielpublikum ein anderes [...].
[...] Den Gruppengesprächen wurden andere Themen zu Grunde gelegt als erwartet. [...]
Positive Erfahrungen: Der Informationsvorsprung durch die Vorbereitung gab den HAZ-Teilnehmern ein Gefühl der Sicherheit in der Diskussion und die Möglichkeit, sich in der Gruppe zu bewähren. Das Erlebnis der gemeinsamen Vorbereitung gab den Teilnehmern aus HAZ und andern HA-Gruppen ein ausgeprägtes 'Wir'-Gefühl, dessen positive Wirkung sich zum Teil auch auf andere Tagungsteilnehmer übertragen konnte."
Ernst Ostertag, November 2006
Quellenverweise
- 1
HAZinfo, Nr. 9/1974, Seiten 9 und 10
- 2
HAZinfo, Nr. 9/1974, Seite 11