Vorgeschichte

Synode 72

Die katholische Synode 72 (Schweiz) wurde am 23. September 1972 eröffnet. In dreijähriger Arbeit sollten Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) diskutiert und umgesetzt werden.

Das HAZinfo (Zeitschrift der HAZ, Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich) orientierte darüber und bezog sich auf die "Vorlage der Interdiözesanen Sachkommission 6 'Ehe und Familie im Wandel der Gesellschaft', 1. Teil: Aktuelle Schwerpunkte zum Thema Sexualität". Dabei  zitierte das Heft aus drei Abschnitten über "Gleichgeschlechtliche Zuneigung":1

"2.4.1 Wir dürfen uns der Tatsache nicht verschliessen, dass es Menschen mit gleichgeschlechtlicher Zuneigung gibt. Sie werden gewöhnlich Homosexuelle genannt. Richtiger ist der Ausdruck gleichgeschlechtlich Geneigte (Homotrope). [...]

Die Ursachen der gleichgeschlechtlichen Zuneigung sind bis heute nicht zureichend geklärt. Die einen sprechen von einem Ursachenkomplex biologischer, psychischer und personaler Komponenten. Andere sind der Auffassung, dass [...] ihr aber auch psychische Störungen zugrunde liegen können. Die gleichgeschlechtliche Zuneigung muss sich nicht immer in sexuellen Akten äussern. [...]

2.4.2 Die gesellschaftliche Ächtung der gleichgeschlechtlich geneigten Menschen ist zu überwinden. [...] In jedem Fall muss die Gesellschaft die gleichgeschlechtlich Geneigten in ihrer Menschenwürde respektieren und ihnen helfen, sich mit ihrer Neigung anzunehmen und in Verantwortung zu leben. Dies entspricht auch dem Verhalten Jesu gegenüber gesellschaftlich geächteten Menschen.

2.4.3 Die Synode beschliesst: Es sind pastorale Richtlinien zur Hilfe und Begleitung gleichgeschlechtlich Geneigter auszuarbeiten."

Trotz Einführung der entsexualisierten Bezeichnung Homotropie - die sich nie durchsetzte - und trotz "Respektierung" statt Akzeptanz zeigte sich eine von heute her gesehen überraschende Offenheit der damaligen katholischen Kirche in der Schweiz.

Allerdings liegt den "pastoralen Richtlinien" und der Forderung "in Verantwortung leben" etwas verborgen die bekannte Haltung zu Grunde, dass dem zum gleichen Geschlecht "Geneigten" Hilfe für ein Leben in christlicher Keuschheit anzubieten sei, ja, dass er dabei "begleitet" werden müsse.

Die Ächtung praktizierter Homosexualität scheint keineswegs aufgehoben. Sie bleibt sehr wohl als Mittel zur Zucht (unerwähnt) bestehen.

Die Geschichte der folgenden Jahrzehnte beweist diese Annahme.

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Ernst Ostertag, November 2006

Quellenverweise
1

HAZinfo, Nr. 9/1974, Seite 18