ab 1984

Aids und seine Folgen

"The Swiss Model"

1982 treten in der Schweiz die ersten Fälle einer noch wenig erforschten neuen Kankheit auf. Sie hat den Namen Aids.

1984 setzen sich schwule Ärzte mit dem nationalen Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Verbindung und gründen eine erste Anlaufstelle für Hilfe und Beratung. Im selben Jahr eröffnet die Genfer Schwulenorganisation Dialogai einen telefonischen Beratungsdienst, der ab 1985 vom Kanton Genf subventioniert wird. Ebenfalls 1984 organisieren die HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich) einen ersten Aids-Informationsabend mit einem Spezialarzt und Privatdozenten in einem Hörsaal des Zürcher Universitätsspitals.

Im Winter 1984/1985 treffen sich Delegierte aller grossen Schwulenverbände, um eine gesamtschweizerische Aids-Hilfe als eigenständige Organisation mit enger Verbindung zum BAG zu schaffen. Aufklärung und Prävention sollten ihre wichtigsten Aufgaben sein.

Im Sommer 1985 wird die Aids-Hilfe Schweiz (AHS) mit Sitz in Bern gegründet und an einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Sofort nimmt sie ihre Arbeit auf.

1986 geben die Aids-Hilfe Schweiz und das Bundesamt für Gesundheit eine Aids-Broschüre in allen Landessprachen heraus. Darin werden drei Hauptpunkte erklärt:

  • Information (Was ist Aids?)
  • Prävention (Wie kann ich mich schützen?)
  • Hilfe (Kranke dürfen nicht diskriminiert werden; wie ist ihnen zu helfen?)

Die Broschüre wird an sämtliche Haushalte des ganzen Landes verschickt.

Die tabulose Zusammenarbeit von homosexuellen Gruppierungen und staatlichen Gesundheitsbehörden ermöglicht ein sachliches Informieren der gesamten Bevölkerung und vermindert sowohl ausgrenzende Reaktionen und Panikmache als auch die Gefahr der Ausweitung zu einer Epidemie.

Diese Zusammenarbeit von Behörden mit Betroffenen-Organisationen (und umgekehrt) wurde ab ca. 1988 von inländischen wie internationalen Organisationen gelegentlich mit "The Swiss Model" bezeichnet. Ob dieser Begriff historisch belegbar ist, etwa in Tagungs-oder Kongress-Dokumenten, wird heute angezweifelt. Zeitzeugen berichten aber davon. Es ging damals um Präventionskampagnen und "The Swiss Model" als internationale Anerkennung war natürlich eine schlagkräftige Aussage. Dies besonders, wenn sie mit Äusserungen von Teilnehmern an einer Internationalen Aids-Konferenz oder Vertretern der WHO (Weltgesundheits-Organisation) verbunden wurde.

Viele Details des Zusammenwirkens von Schwulen-Organisationen mit Behörden, aber auch Ängste und Schwierigkeiten, die dabei auftraten, gehören zur Geschichte von Aids in der Schweiz, vor allem in der Anfangszeit ab 1984 bis die Krankheit ab ca. Herbst 1997 nicht mehr tödlich verlief. In den folgenden Kapiteln wird diese Geschichte aufgezeichnet.

Ernst Ostertag, August 2011 und August 2013