1992

3. Auflage

...privat gesponsert, mit Erklärungen

Einer privaten Gruppe, die sich "Gay Life & Art Company" nannte, gelang es, aus privaten Mitteln die eingestampfte Auflage im Herbst 1992 neu zu drucken und über einen mit "Loveland" bezeichneten Vertrieb in Bern auf den Insider-Markt zu bringen. Es handelte sich in Bild und Inhalt um dieselbe Broschüre, ebenfalls in deutscher und französischer Version. Zusätzlich enthielt sie einen geschichtlichen Exkurs unter dem Titel "Keine HIV-Prävention für Ledermänner?" (S.15), ein "Nachwort zur dritten Auflage" (S.18) sowie die Widmung (S.2) an einen der beiden Verfasser, Beat Rüedi, und an den Illustrator und Fotografen, Hans Willner: "Beide sind im März 1992 an den Folgen von Aids gestorben".

Dem Text vorangestellt war überdies ein "Hinweis" (ebenfalls auf S.2):1

"Die Liberalität und die Solidarität der schweizerischen Aidspolitik sind in Gefahr. Auf den Seiten 15 und 18 informieren wir über die bewegte Geschichte dieser Broschüre: Über die Hintergründe und die Folgen von Bundesrat Cottis Polit-Seldwylerei; und schliesslich über die Beweggründe, die uns veranlasst haben - ein halbes Jahr nach der Vernichtungsaktion - die Broschüre neu aufzulegen und einem interessierten Publikum zugänglich zu machen."

Der Exkurs "Keine HIV-Prävention für Ledermänner?" endete folgendermassen:

"Die 'Aids-Aufklärung Schweiz', eine Tochtergeschwulst des umstrittenen 'Vereins zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis' (VPM), besser unter dem Namen 'Lieblinge' bekannt, hat im September 1991 die Broschüre an NationalrätInnen verschickt und in einem Begleitbrief behauptet, die AHS (Aids-Hilfe Schweiz) verteile die Broschüre an Berufsschulen und in Jugendhäusern.

Die moralinsaure Nationalrätin Geneviève Aubry (BE, FDP), auch bei anderen Gelegenheiten für die 'Lieblinge' tätig, hat darauf eine Interpellation beim Bundesrat eingereicht, mitunterzeichnet von 53 RatskollegInnen, die blind auf ihre Lügengeschichte hereingefallen sind. Eine darauf eingeleitete Untersuchung hat in keinem Fall nachgewiesen, dass die Broschüre durch die AHS an Schulen oder Jugendhäuser verteilt wurde.

Trotzdem hat Bundesrat Flavio Cotti im Januar 1992 auf dem Dienstweg der AHS mit Vertragsbruch gedroht: Wenn der Vorstand der Aids-Hilfe Schweiz sich der Vernichtung dieser Broschüre weiterhin widersetze, werde er innerhalb von 24 Stunden alle Gelder für die AHS sperren. Diesem Druck konnte die AHS nicht widerstehen. Kurz darauf wurden die Restbestände der Broschüre von BAG-Vertretern (Bundesamt für Gesundheitswesen) bei der AHS abgeholt und vernichtet.

Inzwischen ist auch bekannt, dass Cotti seine 'Lieblinge' oft und gerne pflegt, sich vorrangig von den 'Aids-Aufklärern' in der Drogen- und Aidspolitik 'beraten' lässt. [...]

Solange Cotti sich von Personen aus diesem Dunstkreis 'beraten' lässt, muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er massiv die Aids-Prävention behindert, eine repressive Aidspolitik anstrebt und seine gesundheitspolitische Verantwortung in keiner Weise wahrnimmt."

Das "Nachwort zur dritten Auflage" war im Namen der "Gay Life & Art Company" von Berny (Bernhard) Schaller verfasst. Er schrieb unter anderem:2

"Bei Fachleuten - gemeint sind jene, die schon mit mehr als 24 Betroffenen länger als je 36 Minuten unter vier Augen über Aids diskutiert haben - hat der überstürzte Akt moralisierenden Staatsräsonierens Bedauern von 'c'est dommage' bis 'it's a shame' und Kopfschütteln ausgelöst: die ursprüngliche Broschüre 'Safer Sex für Ledermänner' sei ein weiteres Beispiel mutiger und effizienter schweizerischer Aids-Prophylaxe mit internationalem Vorbildwert, weil medizinisch nach bestem Wissensstand korrekt präzis auf eine hochgefährdete Zielgruppe zugeschnitten [...].

[...] mit der Erinnerung an zwei ihrer - inzwischen leider auch an Aids gestorbenen - Mit-Initianten (gemeint waren Beat Rüedi und Hans Willner) sei diese Neuauflage jenen Männern und Frauen gewidmet, die landauf und landab täglich mit ihrer Beratung, Betreuung, Pflege und Begleitung HIV-positiven und aidskranken Mitmenschen - und natürlich auch schwulen Lederkerlen - das Leben länger, leichter, schöner und das Sterben, wenn es denn unausweichlich wird, angenehmer machen.

PS: Überflüssigerweise sei hier noch angemerkt: Diese Broschüre ist nicht zur Verteilung an Berufsschulen oder in Jugendhäusern gedacht!"

Nach oben

Ernst Ostertag, April 2008

Quellenverweise
1

Safer Sex für Ledermänner, Seite 2, 1992

2

Safer Sex für Ledermänner, Seite 18