1997

Das Pink Cross Lokal

"Pink Cross: 26 m2 für 40'000 km2"

war der Titel eines Berichts von Rolf Trechsel in eigener Sache, verfasst als  Beitrag zur Jubiläumsschrift "25 Jahre HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich), 25 Jahre lesbischwule Emanzipation", 1997:1

"Pink Cross ist… Pink Cross will… Die Leitbilder und Programme sind mehr oder weniger bekannt.

Um die Noch-nicht-Mitglieder von Pink Cross zu ihrem Glück zu überreden, versuchen wir es einmal mit Büro-Sightseeing.

Es handelt sich um 26 m2 in einem ruhigen Berner Wohnquartier [...], ein heller, rechteckiger Raum mit Teppich - denn Pink Cross arbeitet möglichst ohne Lärm, um hin und wieder umso heftiger auf die Pauke zu hauen. Den Wänden entlang ausrangierte Norm-Bundesverwaltungsmöbel aus Holz [...] à 40 Franken das Stück, Symbol eines sparsam-sachlichen Bürokratismus. An der Wand ein Keith Haring Plakat mit den Bremer Stadtmusikanten als Programm: Zusammenstehen, auf die Hinterbeine, und schon erscheint man mächtig stark. Das ist nötig, denn auf den 26 m2 soll die Schweiz verändert werden - mindestens in Sachen Schwulenfreundlichkeit. Rechts am Fenster der Schreibtisch mit Computer und Telefon, links vis-à-vis das Faxgerät.

Ein paar Ideen, Zeit und Papier reichen, um einiges in Bewegung zu setzen. Etwa um Politikerinnen und Chefbeamte zu kontaktieren, damit in Sachen gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare die Dinge möglichst rund laufen. Um massenhaft Eingaben für eine lesbisch-schwule Schutzklausel in der Bundesverfassung auszulösen. Oder um Medienleuten Themen ins Ohr zu setzen, die an die Öffentlichkeit gehören, wie etwa das Blutspendeverbot für Schwule oder der Basileia Umpolungs-Humbug.2

Das Telefon jodelt - und wieder braucht jemand die Adresse eines Anwalts. Oder eine Journalistin sucht Material zum Thema Werbung für Schwule. Dafür ist der graue Metallkasten mit den Hängemäppchen links an der Wand zuständig: Das Archiv der Zeitungsausschnitte, das bald aus allen Nähten platzt. Gesammelt werden hier auch alle Fälle von Diskriminierungen einzelner Schwuler, welche Pink Cross zu Ohren kommen. Interventionen sind oft erfolgreich; ein Wink mit der Öffentlichkeit wirkt manchmal Wunder.

Hin und wieder hört man nur die Lüftung des Computers. Dann werden Briefe, Pressemitteilungen oder das neue Pink Paper, die Mitgliederzeitung, getippt. Oder die wachsende Mitgliederdatei wird revidiert. Es sind noch Plätze frei. 26 m2 können 40’000 km2 nur verändern, wenn dahinter ein paar tausend Leute stehen. Realistische Weltverbesserer - genauer: Schweizverbesserer - wie Sie."

Nach oben

Ernst Ostertag, Mai 2008 und Oktober 2011

Quellenverweise
1

25 Jahre HAZ, 25 Jahre lesbischwule Emanzipation, Seite 7

Anmerkungen
2

"Basilea" nennt sich eine evangelikale Gruppe in Basel, die Schwule mit radikalem "Jesus Christus Glauben" umpolen, also "heilen" will und dafür Propagandawirbel veranstaltete.