Grundsätzliches
Dann begann Hansjürg Wiedmer sein Interview (veröffentlicht im numero des Berner Ursus Club, 1994):
numero: "Rolf, was ist Pink Cross [...], welche Ziele hat die Organisation, wie ist sie aufgebaut [...]?
Rolf: [...] Mit der kürzlichen Eröffnung des Sekretariats an der Zinggstrasse in Bern verfügt die Schweizer Schwulenbewegung erstmals in ihrer Geschichte auf gesamtschweizerischer Ebene über professionelle Strukturen. Rechtlich gesehen sind wir ein Verein. [...] Die Mitgliederversammlung wählt den 13-köpfigen Vorstand, der sich um die Umsetzung der Verbandspolitik kümmert. Aus dem Vorstand heraus wird wiederum ein Ausschuss von 3 bis 5 Personen gebildet, welcher die Tagesgeschäfte führt.
numero: Wie ist Pink Cross entstanden [...]?
Rolf: Die Idee eines nationalen Sekretariats entstand an einer Tagung der Homosexuellen Arbeitsgruppen Schweiz (HACH, Dachorganisation) auf dem Albis (ZH) im Mai 1990. Ausgangspunkt dafür war einerseits die Erkenntnis, dass die Schwulenbewegung auf nationaler Ebene ihre Chancen nicht wirklich wahrnimmt und dass dies mit ehrenamtlicher Arbeit kaum zu ändern wäre. Andererseits war deutlich geworden, dass die HACH [...] nicht alle Schwulen vertritt, die Differenzen unter den Schwulenorganisationen aber [...] immer kleiner geworden sind. Wir haben dann, anfänglich in einer kleinen Gruppe, das Projekt konkretisiert und im Herbst 1991 einem breiten Kreis von Vertretern verschiedenster Schwulenorganisationen und schwuler Betriebe vorgestellt. Eineinhalb Jahre später wurde dann im "anderLand" in Bern Pink Cross aus der Taufe gehoben. ("anderLand" hiess das Lokal der Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern, HAB.) Pink Cross wäre vor zehn Jahren nicht denkbar gewesen. Damals lebten die verschiedenen Schwulen nicht zuletzt von ihren Vorurteilen. Dass es uns gibt, ist ein kleines schwulenpolitisches Wunder. Doch nun steht die Bewährungsprobe an.
numero: Gibt es für Dich in der Schweiz so etwas wie eine 'Gay Community', und falls ja, wie würdest Du sie charakterisieren?
Rolf: Ich glaube, ein diffuses Zusammengehörigkeitsgefühl von Schwulen über alle sozialen Grenzen hinweg gibt es schon, und das kann man 'Gay Community' nennen. Das Denken innerhalb der schwulen Gemeinschaft, ein gewisses Solidaritätsgefühl, ist in den letzten Jahren sicher stark gewachsen. Umgekehrt dürfen wir uns nichts vormachen: Nur weil wir alle Männer lieben, sind wir noch längst nicht 'ein Herz und eine Seele'. Immer noch sind einzelne rasch bereit, sich gegenüber 'anderen' Schwulen - Tunten, Lederkerlen, Politschwestern etc. - abzugrenzen."
Ernst Ostertag, Mai 2008