1998
Rahmenprogramm
Es sollten am Festival auch Themen zur Diskussion gestellt werden, die Schwule und Lesben stark beschäftigen. Mit dem Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" von Rosa von Praunheim (1971) wurde schon im ersten Jahr ein Klassiker der schwullesbischen Filmgeschichte gezeigt, der zudem als Ausgangspunkt für die Diskussion "Homosexuell im Thurgau - bleiben oder auswandern?" diente.
Ein anderer Schwerpunkt im ersten Jahr war das Militär. Zwei thematische Filme und die Pink Army Night unter dem Motto "Gayneralstab" stellten einen Bezug zu den Schweizer Armeetagen her, die zeitgleich in Frauenfeld stattfanden. Der Thurgau galt damals als sehr militärfreundlich. Mit dem Huber Verlag war dort auch der grösste Herausgeber von Militaria in der Schweiz zuhause. Es ging aber nicht darum, nur militärkritisch zu agieren, mit einem Augenzwinkern wurde auch der Fetischaspekt angesprochen, der dem Thema durchaus innewohnt, wie der Partyflyer zeigt.
Besonders stolz waren die Macher:innen darauf, dass es schon im ersten Jahr gelang, für die Eröffnung eine aktive Regierungsrätin als Rednerin zu gewinnen. Dies brachte dem Festival die nötige Beachtung, zuerst bei den Medien und dann auch in der Bevölkerung.
Die Thurgauer Zeitung schrieb am 10. Juli 1998 zum Schluss des Festivals:
"Insgesamt zählte das von Regierungsrätin Vreni Schawalder eröffnete Filmfestival 539 Besucherinnen und Besucher: Ein fulminanter Start und ein Beweis für das breite Interesse! "Wir haben wichtige Ziele erreicht", resümiert das siebenköpfige Pink Apple-Team: "Während acht Wochen war das Cinema Luna jeweils montags ein Treffpunkt für Schwule, Lesben, Bisexuelle, ihre Freundinnen und Freunde, Eltern sowie weitere Interessierte. Und die Öffentlichkeit hat wohl erstmals realisiert, dass im Thurgau etwa gleich viele Schwule und Lesben leben wie Personen in der Landwirtschaft beschäftigt sind, nämlich gegen 10'000 Männer und Frauen."
Die Reaktionen in der lokalen Presse waren sehr gut und Pink Apple bekam viel Platz in den Medien. Sicher half da auch mit, dass nicht wenige Journalisten zur Zielgruppe des Festivals gehörten.
Daniel Bruttin, April 2022