2004-2005

"Ohrring = schwul" führt zur Gründung

An den Schweizer Hochschulen gab und gibt es Offiziersgesellschaften, so auch an der Hochschule St. Gallen (HSG). Ab 2004 traf sich dort unregelmässig eine Gruppe um Silvan Amberg, der später der erste Präsident der QueerOfficers wurde. Sie diskutierte verschiedene Themen oder ging auch mal zusammen nach Zürich in den Ausgang. Dabei entstand die Idee, schwule Offiziere nach dem Vorbild der Offiziersgesellschaften zu organisieren.

Ein Diskussionsthema wurde ein Vorfall aus einer Offiziersausbildung, der als Auslöser für die spätere Vereinsgründung gilt. Es wurde erzählt, dass Aspiranten sich über ihren Klassenlehrer beschwert hatten, weil er sich im Unterricht so geäussert habe:

"Es gibt drei Sorten Menschen, die ein Piercing tragen: Piraten, Frauen und Schwule. Ich sehe kein Schiff und Röcke tragt ihr auch nicht!"

Damit sollte klargestellt werden, dass im Raum anwesende Offiziersanwärter, die ein Piercing trugen, wohl in die dritte Kategorie gehörten. Vielleicht war damit der Wunsch verbunden, dass diese ihr Piercing sofort entfernten, damit sie nicht als Schwule erkennbar seien. Für die St. Galler Gruppe war klar, dass eine solch homophobe Gesinnung keinen Platz in der Schweizer Armee haben durfte. Sie wollten, dass sich das ändert und planten, die Armeespitze in einem Brief auf den Missstand aufmerksam zu machen.

Kurz darauf veröffentlichte das politische Magazin Facts eine gross aufgemachte Titelstory. Überschrieben war sie mit "Achtung, Fertig, Chaos!", in Anlehnung an den Titel eines damals populären Kinofilms. Der Artikel äusserte sich zu verschiedenen Missständen, die in der Armee herrschen sollten. Unter dem Titel "Die Chaos Truppe - sexuelle Demütigung, bizarre Rituale. Unsere Armee heute." wurde auch die erwähnte Ohrring-Geschichte aus der Offiziersschule wiedergegeben.

Die Autoren zählten weitere Vorfälle auf. Sie beschrieben wie mit Soldaten oder Offiziersanwärtern unter dem Deckmantel der Ausbildung brutal und menschenverachtend umgegangen wurde. Facts hielt fest:

"Die militärische Führungsausbildung schult das kritische Urteilsvermögen zu wenig", schreiben etwa Oberst Alex Reber und Major Christoph Abegglen in der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift (ASMZ). Die Generalstabsoffiziere – beide Profis – beanstanden, dass die Ausbildung der Soldaten zu technisch sei, aber auf den Menschen zu wenig Rücksicht nehme. Ein Berufsoffizier im Rang eines Hauptmanns sagt: 'Ich sehe oft junge Infanterie-Offiziere, die über Führung nichts gelernt haben. Sie haben nur gelernt, Schmerzen auszuhalten und das Hirn abzuschalten.'"

Daniel Bruttin, März 2025