Vorgeschichte
1992
Homosexuelle Handlungen lange strafbar
Homosexuelle Handlungen waren in der Schweizer Armee bis 1992 unter Strafe gestellt. Das Militärstrafgesetz enthielt den Artikel 127:
"Wer mit einer Person gleichen Geschlechts eine unzüchtige Handlung vornimmt, wird mit Gefängnis bestraft."
Der vorgesehene Strafrahmen lag zwischen drei Tagen und drei Jahren.
1992 nahm das Schweizer Stimmvolk mit 73,1% Ja-Stimmen das revidierte Sexualstrafrecht an. Es stellte homosexuelle und heterosexuelle Handlungen gleich und legte das Schutzalter für alle auf 16 Jahre fest. Gleichzeitig wurde der Artikel 127 des Militärstrafgesetzes aufgehoben. Dieser Revision gingen jahrzehntelange politische Diskussionen voran. Sie sind auf unserer Website in der Epoche «Hin zur Gleichstellung» unter Revision StGB beschrieben.
Schon vor 1992 waren Verurteilungen selten. Erst die Abschaffung des Paragrafen gab aber das klare Signal, das Tabu Homosexualität in der Armee aufzubrechen.
In einem Interview mit den Zeitungen der TA-Media, das am 1. September 2021 veröffentlicht wurde, beschreibt Oberst Beat Steinmann wie es ihm in den 1980er- und 1990er-Jahren erging:
"Der 64-Jährige ist Oberst im Generalstab mit über 1700 Diensttagen und heute ausser Dienst. Er machte 1978 die Rekrutenschule und bildete in den 1980er- und 90er-Jahren als Instruktor während zehn Jahren junge Kader aus. Dazu gehörte auch der Offiziersball am Ende des Lehrgangs. Für die Jungen der Höhepunkt, für Steinmann das Gegenteil. Jedes Jahr verriet er ein bisschen sich selbst. Mit einem Mann an den Ball kommen: undenkbar. Einmal kam er mit einer Frau, die anderen Male allein.
Steinmann ist schwul. Steinmann war Berufsmilitär. Eine schwierige Kombination. Bis ins Jahr 1992 war es Armeeangehörigen verboten, homosexuell zu sein. Schwul sein hiess auch noch Jahre später: um keinen Preis auffallen, schweigen, auf die Zunge beissen, bei Schwulenwitzen mitlachen. "Es war grauenhaft», sagt Steinmann.
…
Wenn er von früher erzählt, die Arme dazu verschränkt und sich tief in den Stuhl lehnt, dann muss er immer wieder lachen, als könne er selbst nicht glauben, wie festgefahren dieser Männerclub einst war. Sich zu outen, wäre ihm bis in die Nullerjahre nie in den Sinn gekommen. «Meine Karriere wäre wohl vorbei gewesen. Ziemlich sicher.» Er wäre nicht mehr befördert worden, vielleicht hätten sie ihn sogar unehrenhaft medizinisch entlassen. Es gab damals einen medizinischen Code fürs Schwulsein, den die Ärzte ins Dienstbüchlein eintrugen. Trotz allem war Aufhören für ihn nie eine Alternative, zu gut gefiel ihm die Arbeit im Militär."
Daniel Bruttin, März 2025