Newsletter 48

Dezember 2013

Diese Ausgabe enthält folgendes Thema: 

  • Kolumne: Ledermänner - Minderheit innerhalb einer Minderheit

      

Ledermänner - Minderheit innerhalb einer Minderheit

eos. Vor 40 Jahren fand sich eine Anzahl Männer mit einer besonderen Neigung zusammen, die sie innerhalb der schwulen Community zur Minderheit machte. Offenbar waren sie Opfer einer Ausgrenzungs-Manie, wie sie bei unterdrückten Minoritäten öfter vorkommt. Dem wollten sie entgegentreten und zugleich sich selbst eine geschützte Nische schaffen. Es war die Zeit des grossen Aufbruchs der Schwulenemanzipation, 1973, als sie ihre Loge 70 (Schweiz) gründeten. Beim Namen hielten sie sich an ein deutsches Vorbild.

1970 hatten sich in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin Leute mit sadistisch-masochistischer Neigung und Freunde von Lederbekleidung und fetischistischen Vorlieben zu einer Verbindung zusammengeschlossen, die von ihnen, der Jahreszahl entsprechend, "Loge 70" genannt wurde.

Die Schweizer übernahmen diese Bezeichnung für ihren neuen Verein von Ledermännern, also ohne Frauen, und gaben sich eine Satzung. Die Vorliebe für Leder kombiniert mit sexuellen Praktiken erforderte Diskretion und eine Art isolierten Freiraum für ihre Zusammenkünfte. Später führten sie ein eigenes Lokal, zu dem Aussenstehende keinen Zutritt hatten. Auch Abonnemente für zwei Zeitschriften gehörten ins Angebot des Mitglieder-Status. Loge 70 - Club für Ledermänner

Trotz ihrer ghettoartigen Absonderung wirkten viele Ledermänner aktiv in der Emanzipationsbewegung mit und blieben den Schwulenorganisationen weiterhin verbunden. Dies vor allem in den 80er Jahren, als es um die Abwehr der Aids-Gefahr ging. Da trat die Loge 70 als Ganzes in die Öffentlichkeit und beteiligte sich an vorderster Front an Präventionskampagnen, zum Beispiel mit der Entwicklung des "Hot Rubbers" und durch die Herausgabe einer einschlägigen Aufklärungsbroschüre. Die Loge 70 öffnete sich auch gegenüber anderen schwulen Organisationen und trat aus ihrem selbst gewählten Ghetto heraus. Die Loge öffnet sich

P.S. Die Geschichte der Loge 70 (Schweiz) liess sich nur schwierig rekonstruieren. Die dazu nötigen Dokumente blieben im Vereinsarchiv unter Verschluss. Lediglich zwei Mitglieder waren bereit, Auskunft zu geben. Kürzlich aber gelangte ein grösserer Teil der Akten ins Schwulenarchiv Schweiz (sas). Hier wartet eine lohnenswerte Arbeit auf interessierte Historiker oder Laien.