1939/1955

Beschreibung

...in den Zeitschriften Menschenrecht und Kreis

Die schweizerische Zeitschrift Menschenrecht veröffentlichte in ihrer Oster-Ausgabe Nr. 6/1939 eine Zusammenstellung von Urteilen gegen Homosexuelle unter dem Titel "Ein Schicksalsweg durch fünf Jahrhunderte". Sie begann mit dem Untertitel "Feuertod":

"Am 24. September 1482 wurde der Ritter Richard Puller, der letzte derer von Hohenburg, aus gutem Wasgauischen Adel, Wirich's II einziger Sohn mit seiner zweiten Frau Jutta von Schöneck, Oheim des Ritters Franz von Sickingen, wegen 'Ketzerei' - in diesem Fall war das verbotener Geschlechtsverkehr mit seinem deshalb gleichfalls zum Feuertode verurteilten jungen Diener Anton Schärer [wohl ein Schreibfehler statt Mätzler] von Lindau - öffentlich hingerichtet. Mitleid verlangte er nicht, als ein Herold ihm die Ritterschaft abgekündigt, [...]. Er gedachte kurz seines nicht aus Liebe, nur ihres Reichtums wegen erheirateten Weibes, der Sophia Böckin, einzigen Erbtochter des bereits verstorbenen Hans Konrad Bock, schwieg hierauf hartnäckig zu allen geistlichen Ermahnungen, berief seinen Hauptgegner, den Hauptmann Hans Waldmann vor den Richtstuhl Gottes und bekannte [...] 'ein fehlender Mensch' gewesen zu sein, ohne seiner Leidenschaft für junge Männer als eine besondere Sünde Erwähnung zu tun. Der grausame Tod wurde ihm durch einen angebundenen Pulversack erleichtert."

Als Quelle wurde angegeben "Aus einer alten Chronik".

Unter dem Titel "Aus einer alten Chronik" erschien derselbe Text leicht gekürzt im Sonderheft "Die Schweiz" des Kreis Nr. 9/1955 in Zierschrift mit Hintergrundzeichnung von Agathon. Die Seite daneben zeigte auf schwarzem Grund eine Zeichnung des Schweizers Urs Graf von 1514: einen zum Kampf eilenden Söldner mit Fahne, also eine andere Form des Opfergangs junger Männer.

Nach der Illustration in Diebold Schillings Chronik der Burgunderkriege, die in der Zürcher Zentralbibliothek (ZB) aufbewahrt wird, fand die Verbrennung vor den Toren Zürichs statt. Dies wurde so gezeichnet und koloriert, um die Stadt in ihrem damaligen Aussehen mit ins Bild zu bekommen, womit auch des Lesens Unkundigen erklärt war, wo Delikt und Strafe stattgefunden hatten. Zudem erscheint das Wappen Zürichs über dem Stadttor. Die Urteilsverkündung erfolgte in der Nähe des heutigen Rathauses beim früheren Fischmarkt an der Limmat, also nordseits des Zunfthauses Rüden, wo jetzt ein Brunnen steht. Die Vollstreckung von Todesurteilen geschah ausserhalb der Stadt. Jedoch nicht dort, wo sie die Diebold Schilling Chronik zeigt, sondern hinter den Hügeln der Enge an der Sihl. In der Zentralbibliothek Zürich gibt es eine weitere illustrierte Chronik aus jener Zeit. Sie wurde von Gerold Edlibach (1454-1530) und Ludwig Edlibach (1492-1557) verfasst und trägt den Titel Zürcher- und Schweizerchronik. Auch dort wird Prozess, Urteil und Hinrichtung des Ritters von Hohenburg und seines Knechtes beschrieben und die Illustration zeigt die Verbrennung an einem Fluss, sehr wahrscheinlich an der Sihl.

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Ernst Ostertag, Oktober 2006