bis 1798

Altertum

Wandel des Welt- und Menschenbildes

3760 vC

Beginn der jüdischen Zeitrechnung.

um 2500 vC

Bau des Grabes von Nianchchnum und Chnumhotep in Sakkhara, ca. ein Jahrhundert vor dem Bau der grossen Pyramiden von Gizeh. Die beiden Männer sind im Grab in inniger Umarmung dargestellt, wie es der Tradition für Ehepaare entspricht. Auch die Grabtexte sind analog verfasst. Deshalb sehen viele Experten in den beiden Männern ein Paar.

um 760 vC

Homer verfasst die Epen Ilias und Odyssee. Die Freundschaft und Liebe des Männerpaares Achilleus und Patroklos steht in der Ilias an zentraler Stelle.

753 vC

Gründung Roms durch Romulus (ungesichert).

371 vC

Die Heilige Schar als Kerntruppe der thebanischen Phalanx besiegt Sparta, womit Theben die Vormacht in Griechenland erlangt. Die Heilige Schar, gegründet 387 aC, bestand aus 150 männlichen Liebespaaren, die zugleich professionelle Krieger waren. Vor jeder Schlacht erneuerten sie an ihnen besonders heiligen Orten den gegenseitigen Treueschwur. Liebespaare galten auch seit je den Spartanern als beste Kerntruppe. In Sparta war man überzeugt, dass in Liebe nebeneinander kämpfende Freundespaare den Sieg garantieren.1 Andere griechische Stämme dachten und handelten ebenso. Auch von den Persern sind solche Bräuche überliefert. Berühmte Heerführer wie Epaminondas und Alexander der Grosse hatten jahrelang ihre persönlichen, öffentlich anerkannten Lieblinge und Kampfgefährten.

272 vC

Rom erobert das griechische Süditalien.

189 vC

Rom erobert die gesamte griechische Welt.

1 nC

Beginn einer neuen Zeitrechnung. Geburt des Jesus von Nazareth, genannt Christus.

54-56

Der Apostel Paulus verfasst seinen Brief an die Römer und die beiden an die Korinther. Sie enthalten eine Art Sündenkatalog mit (damals üblichen) Verhaltensweisen, die eine "Teilhabe am Reich Gottes" ausschliessen. Dazu gehören in Röm 1, 27 (Luther-Bibel) jene, die "aneinander erhitzt in ihren Lüsten Mann mit Mann Schande getrieben" und in 1.Kor 6, 9 werden auch "Knabenschänder" und "Weichlinge" aufgezählt (letztere waren Masturbierende gemäss Tradition der kath. Kirche).

ca. 100-165

Justin, Heiliger und Kirchenvater, Märtyrer unter Kaiser Marc Aurel. Er gibt den Päderasten die Schuld an der Christenverfolgung.

117-138

Regierungszeit Kaiser Hadrians. Seine grosse Liebe ist der Jüngling Antinoos, den er adoptiert und zum Nachfolger erklären will. Antinoos ertrinkt jedoch im Jahr 130 im Nil. Darauf lässt ihn Hadrian zum Gott erklären und sein Bildnis in Tempeln und an anderen Orten aufstellen. In Ägypten gründet er eine neue Stadt und nennt sie Antinoopolis. Hadrians Mausoleum in Rom und die Tiberbrücke, die er dazu erbauen lässt, tragen heute die Namen Engelsburg und Engelsbrücke. Und so lebt darin - als Gedanke - der schöne antike engelgleiche Gott Antinoos weiter fort.

um 150-215

Clemens von Alexandria, Kirchenschriftsteller, sieht die Sexualität ausschliesslich als Mittel zur Erzeugung von Nachkommen.

185-253/254

Origines von Alexandria, sieht in der Ehelosigkeit ein hohes Ideal. Jesus und Paulus werden ehelose Vorbilder.

300/302 oder 306/309

Synode von Elvira bei Granada. Beschlossen werden die Ehelosigkeit von Priestern, das Verbot heidnischer Kulthandlungen und das Verbot, Päderasten die Kommunion auf dem Totenbett zu spenden. Spätestens hier beginnt die Ächtung des gleichgeschlechtlichen Eros in der christlichen Kirchenlehre und Kirchenpraxis.

313

Kaiser Konstantin erhebt das Christentum zur gleichberechtigten Staatsreligion. Damit beginnt die Geschichte der sukzessiven Übernahme des theologischen Konstrukts der "Sünde Sodoms" in die weltliche Rechtsprechung und auch die Verdrängung der heidnischen Bräuche und Religionen. 

um 349-407

Johannes Chrysostomos, Kirchenlehrer und Patriarch von Konstantinopel, auch "Kirchenvater der Homophobie" genannt. Er führt den Begriff der "Sünde Sodoms" ein und meint damit die "satanische Sünde" der Männer, die Sex mit ihresgleichen haben. Er führte auch das Verabscheuen der Juden ein: "Weil ihr Christus getötet habt (...) gibt es für euch keine (...) Verzeihung und auch keine Entschuldigung". 

354-430

Augustinus, Kirchenvater. Er fordert u.a. für die "Männer von Sodom" die Bekehrung mit Zwang und Gewalt und bezeichnet sie erstmals als "Sünder gegen die Natur". Auch er vertritt die Ehelosigkeit als hohes Ideal.

476

Untergang des Weströmischen Reiches.

534

Beginn der Ächtung in der weltlichen Rechtsprechung. Kaiser Justinian beendet seine Gesetzessammlung corpus iuris civilis, worin "Sodomie" als mit dem Feuertod zu bestrafendes Vergehen in der weltlichen Gesetzgebung verankert wird.

570/573-632

Mohammed, der Prophet. 622 Beginn der muslimischen Zeitrechnung und der Eroberungszüge zur Islamisierung des Nahen Ostens und Nordafrikas samt grossen Teilen von Spanien und Portugal.

693

Synode von Toledo (oder 16. Konzil von Toledo). "Körperstrafen" für Sodomiten werden festgeschrieben.

um 1006-1072

Petrus Damiani, Kirchenlehrer und Heiliger. In seinem Liber Gomorrhianus (gomorrhisches Buch, bezogen auf Sodom und Gomorrha) kämpft er gegen die Unsittlichkeiten im Klerus an und bezeichnet die "Sodomie" als schwerste aller Sünden.

1095

Beginn des ersten  Kreuzzugs und damit des Zeitalters der Kreuzzüge.

1161-1216

Papst Innozenz III, einer der bedeutendsten Päpste des Mittelalters. Mit ihm beginnt die Inquisition. Und mit deren Durchführung wird hauptsächlich der neue Dominikanerorden betreut. Sodomiten gelten nun offiziell als Häretiker (Ketzer). Sie sind auszurotten. Ihnen droht - wie traditionell allen Ketzern - die Todesstrafe (zumeist auf dem Scheiterhaufen).

um 1170-1221

Dominikus, Spanier. Er kann 1216 seinen Orden der Dominikaner durch Papst Innozenz III gründen.

1179

Drittes Laterankonzil. In den beschlossenen Canones sind auch die "Verbrechen wider die Natur" enthalten. Sie werden mit Exkommunikation bestraft.

1181/ 1182-1226

Franz von Assisi. Papst Innozenz III erteilt 1215 die Erlaubnis zur Gründung der Franziskaner Orden.

1200-1280

Albertus Magnus, Albert von Köln, Kirchenvater und Heiliger, Dominikaner. Zu seinem grossen Gesamtwerk zählen auch Schriften zur Sexualität, die er nur zur Zeugung von Nachkommen als der Natur und dem göttlichen Willen entsprechend sieht. Sodomie hingegen soll mit Körperstrafen, Folter und Todesurteilen ausgerottet werden und darauf folgt für diese Ketzer ewige Verdammnis in der Hölle.

1225-1274

Thomas von Aquin, bedeutender Kirchenlehrer und Heiliger, Dominikaner und Schüler von Albertus Magnus. Zu seinen Lehren zählt die "vernünftige Ordnung" und daher ein Leben gemäss der von Gott gewollten und erschaffenen Natur. Zu der vitium contra naturam, Sünde wider die Natur gehören sinngemäss die Unzuchtsünden: Selbstbefriedigung, Sex mit Tieren, Sex mit Menschen des gleichen Geschlechts. Sie zählen zu den schwersten Sünden.

1291

Mit dem Fall von Akkon enden die Kreuzzüge.

1453

Eroberung Konstantinopels durch die Türken, Ende des Oströmischen Reiches.

1482

Verbrennung eines Männerpaares in Zürich.

1517

Beginn der Reformation durch Martin Luther in Deutschland.

1519

Beginn der Reformation durch Ulrich Zwingli in Zürich.

1531

Druck der von Ulrich Zwingli übersetzten Zürcher Bibel. Darin heisst es (3.Mose, 18, 22 u. 29): "Und mit einem Mann sollst du nicht schlafen, wie man mit einer Frau schläft. Das ist ein Greuel." Als Strafe ist vorgesehen: "Sie müssen getötet werden, auf ihnen lastet Blutschuld."2

1532

Die Constitutio Criminalis Carolina Kaiser Karls V, das erste europäische Strafgesetz, stellt gleichgeschlechtliche Akte unter Todesstrafe durch das Feuer, wie es der "gemeinen Gewohntheit" entspreche.

1536

Fortsetzung und Erneuerung der Reformation in Genf durch Johannes Calvin. Die neuen reformierten Kirchen übernehmen die Ächtung voll und ganz. Denunziation, Verfolgung, Kerker, Folter und Todesstrafe bleiben. (Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginnt eine reziproke Entwicklung: Parallel zur Abnahme des kirchlichen Einflusses in der Gesellschaft steigt die Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Liebe.)

1789

Französische Revolution. Die neuen Gesetze "Code Civil / Code Napoléon" und "Code pénal" enthalten keine Bestimmungen zu gleichgeschlechtlichen Handlungen.

1798

Die napoleonischen Gesetze gelten auch in der Schweiz.

 

Nach oben

Thomas Voelkin, Mai 2009; Ernst Ostertag, April/November 2010, August 2023

Quellenverweise
1

Hans Licht, Sittengeschichte Griechenlands, drei Bände, Das Liebesleben der Griechen, S. 125f, Paul Aretz Verlag, Dresden und Zürich, 1926
Wikipedia, The Sacred Band of Thebes

2

Aktuelle Fassung aus der Zürcher Bibel, Theologischer Verlag Zürich, 2007

 

Josef Burri, Jakobs Fluch, Die Folgen von Bibel- und Korantexten für Homosexuelle, rex verlag, Luzern, 2022, S. 95-106.