Freundschafts-Verband

Er wehrt sich

Die Angriffe des Scheinwerfers wollte die kämpferische und stets auf Gerechtigkeit bedachte Anna Vock nicht  einfach hinnehmen. Sie erhob beim Bezirksgericht Zürich Anklage wegen Ehrverletzung und erläuterte ihr Vorgehen im Schweizerischen Freundschafts-Banner 6/1934:

"Es muss endlich ein Exempel statuiert werden, dass wir Homosexuellen nicht 'vogelfrei' sind und sich von jeder schmutzigen und perversen Schreiber- und Zeichnerseele anspeien lassen. Auch wir haben das Recht auf den Schutz der Gesetze."

In der nächsten Ausgabe bat sie um Spenden für den Prozess und fuhr dann weiter:

 "Am liebsten würden uns diese Leute wohl samt und sonders aufhängen, wenn sie die Macht hätten. Immerhin haben uns die zahlreichen Briefe und Bestellungen aus allen Teilen der Schweiz [...] bewiesen, dass die 'Gratis-Reklame' auch gute Früchte getragen hat."

Was wohl übertrieben sein mochte und eher dem Verhindern von Rücktritten galt.

Der Scheinwerfer 5/1934 schoss prompt zurück:

"Durch Kampf zum Sieg! So heisst die Parole des schweizerischen Freundschaftsverbandes, des Bundes der homosexuellen Männer und der lesbischen Frauen. Ihr offizielles Organ nennt sich Schweizerisches Freundschafts-Banner; [...]"

Nun folgte Name, Adresse, Postcheck- und Telefonnummer von Anna Vock als Verlag und Redaktion,

"beziehbar in den Vereinslokalen 'Albis', Ecke Roland-Zinistrasse und 'Promenade', Alfred-Escherstr. Clublokal: Badergasse 6, 1. Stock. Man könnte ja stillschweigend über diese staatszersetzende Vereinigung hinwegsehen. [...] Aber der Verband verlangt vollständige Gleichberechtigung wie jeder andere Schiess- und Turnverein. [...] Durch 'aufklärende' Druckschriften und Vorträge will er diese Gleichberechtigung begründen. [...] Es würde einem gar nicht wunder nehmen, wenn hinter dieser Bewegung der schon bald mehr berüchtigte als berühmte jüdische Sexualforscher Dr. Magnus Hirschfeld stecken würde. [...] Wir machen jetzt vorläufig Schluss; aber Obacht, Ihr 'herrlichen' Damen und 'dämlichen' Herren, - der Scheinwerfer hat scharf geladen!"

Nun doppelte Anna Vock nach1:

"Als Verfasser des verleumderischen Artikels in Nr. 4 des Scheinwerfers hat sich ein gewisser Fredy Schlumpf, wohnhaft Elsastr. 20 (Ecke Badenerstr. 7), Tel. 72 163, bekannt. Derselbe ist vorläufiger Redaktor dieses Blättchens [...] und alles, was gegenwärtig an Gift und Galle gegen uns in diesem steht, stammt aus der trüben Quelle dieses 'Literarischen Studio'. [...] Der Umstand, dass er auf die vagen Aussagen eines Schneider, Automechaniker, abstellt, dessen nähere Adresse er nicht einmal kennt (wie er in der Verhandlung angab), und der am betreffenden Ball Fr. 200.- durch Prostitution verdient haben will. (??) Also ein professioneller 'Strich', den die Sittenpolizei hoffentlich in ihre Obhut nimmt. - Wie hoch das geistige und moralische Niveau dieses 'Studio' überhaupt steht, beweist der fade Blödsinn, der seit dem Tode von Herrn Wirz sen. im Scheinwerfer verzapft wird. Um doch noch etwas Zugkraft in die Sache zu bringen, dafür sind ihm die Homosexuellen nun gerade gut genug. Aber auch dieses Mittel wird mit der Zeit versagen und dann heisst es 'Absterbis und Amen'."

Zu der erwähnten Verhandlung steht im Protokollbuch vom 3. Mai 1934:

"Am 2. Mai hat eine Referentenkonferenz stattgefunden, an welcher der Scheinwerfer durch Wirz jun. vertreten war. [...] Als Verfasser des eingeklagten Artikels kommt Interimsredaktor Schlumpf vom Scheinwerfer in Frage. Dieser erklärte, dass er nicht den Schweiz. Freundschaftsverband bekämpfe, sondern das System der Homosexualität, die Prostitution und die Verführung Minderjähriger. Auf dieses Bekenntnis hin erwiderte unser Anwalt: "Dann sind Sie ja mit dem S.Fr.V. verassoziiert, denn das gleiche Ziel hat sich dieser Verband gestellt."

In 9/1934 ging der Scheinwerfer aber noch weiter:

"Die Homosexuellen werden frech! Die 'Art-Genossen' haben gegen die Redaktion des Scheinwerfers Klage wegen Ehrverletzung erhoben. Es haben als Kläger gezeichnet:"

Es folgten nach Anna Vock fünf Herren2, alle mit Namen und Adresse. Dann hiess es weiter:

"Wir kamen in den Besitz der Liste der übrigen Teilnehmer an dem denkwürdigen Anlasse [gemeint war der Ball vom 10. Februar] [...] Wir würden es ungern sehen, wenn wir gehalten wären, die Teilnehmerliste in einer unserer nächsten Nummern in allen Details bekannt geben zu müssen, denn wir wissen, dass es unter diesen Leuten viele Unglückliche gibt, denen eine öffentliche Publikation ihrer Familien und ihrer geschäftlichen Beziehungen wegen äusserst peinlich sein müsste."

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Ernst Ostertag, Juni 2004

Quellenverweise
1

Anna Vock: Schweizerisches Freundschafts-Banner, 10/1934.

Anmerkungen
2

Wobei der eine "Herr" in Wirklichkeit die zeitweise Kassiererin und Lebensgefährtin von Anna Vock, Frau Eichenberger, war.