Frauen an Universitäten

Frauenpaare

Ab Wintersemester 1843/44 wurden vereinzelt Frauen an der 1833 gegründeten Universität Zürich als Hörerinnen zugelassen. 1866 konnte sich die Studentin Nadeshda Suslowa offiziell immatrikulieren. Sie war die Tochter eines freigelassenen russischen Leibeigenen und ihre Zulassung daher ein erstmaliger Vorgang im gesamten deutschen Sprachraum.

Am 14. Dezember 1867 promovierte Suslowa als erste Frau in Medizin und 1872 bestand auch die erste Schweizerin, Marie Heim-Vögtlin, das medizinische Staatsexamen. Damit war für Frauen der Weg zur Ausbildung für qualifizierte Berufe wie Anwältin, Lehrerin an höheren Schulen oder Ärztin möglich geworden. Frauen hatten nun eine Lebensperspektive, die sie aus der materiellen Abhängigkeit von einem Mann und vom bürgerlichen Ideal der Gattin und Mutter befreite.

Die Universität Zürich zog nebst Schweizerinnen auch Frauen aus aller Welt an, vor allem aus Deutschland und Russland. Ab 1871 galt dies in gleicher Weise für die Eidgenössische Technische Hochschule, ETH.

Um 1900 konnten sich Frauen an fast allen schweizerischen Universitäten immatrikulieren. Sie machten damals bereits 25 Prozent aller Studierenden aus. 90 Prozent davon waren Ausländerinnen, was einiges über den Zustand der Hochschulen und die Zulassungspraxis in ihren Heimatländern aussagt.

Unter ihnen gab es Frauenrechtlerinnen und etliche, die später als Paar jahrelang zusammenlebten und zusammen arbeiteten. Damit diese durch die aufkommende Sexualwissenschaft und deren Verbreitung nicht unter den Verdacht kamen, "konträrsexuell" zu sein, was Ansehen und berufliche Stellung beeinträchtigt oder verunmöglicht hätte, grenzten sich viele ab und erklärten ihre Beziehung als "reine Freundschaft", als "ideale Liebe" oder sie hüllten sich in Schweigen. Nur ganz wenige bezeichneten sich offen als homosexuell.

Hier wurde wohl erstmals die "negative" Seite der - zunächst wissenschaftlichen - Beschäftigung mit dem Thema der "namenlosen Liebe" deutlich, nämlich ihr Sichtbarmachen. In der Folge zogen sich vor allem gleichgeschlechtliche Paare, die sich nicht offen als solche bekennen wollten/konnten/durften, tiefer in die Verborgenheit und ins Doppelleben zurück. Andererseits wurden jene, die den Schritt wagten, zu Pionierinnen der Emanzipation. Sie praktizierten, was diese neue Wissenschaft an Forschungsergebnissen gefunden und veröffentlicht hatte. Ihnen verdanken wir den Beginn des Wandels von Scham und Abscheu zum zögerlichen Tolerieren und Annehmen.

Es seien hier drei Beispiele des mehr oder weniger verborgenen Lebens von Frauen herausgegriffen, die Bleibendes geleistet haben und damit bekannt wurden1.

Caroline Farner (1842-1913) war Erzieherin und die zweite Schweizerin mit gültiger Ausbildung als Ärztin. Sie gründete die Bad- und Kuranstalt für Frauen in Urnäsch und war Präsidentin des Schweizerischen Frauenverbandes Fraternité. Sie lebte jahrelang zusammen in ihrem Haus in Zürich mit Anna Rosina Pfrunder (1851-1925), die ebenfalls in der Fraternité engagiert war.

Anna Heer (1863-1918) war Frauenärztin und als solche Mitbegründerin und erste Chefärztin der Schweizerischen Pflegerinnenschule in Zürich. Sie lebte später mit ihrer Schwester und mit Ida Schneider (1869-1968) zusammen, mit der sie auch die knappen Ferien verbrachte, die ihr zur Verfügung standen. Ida Schneider war Krankenpflegerin und beteiligte sich ebenfalls an der Gründung der Pflegerinnenschule.

Ida Bindschedler (1854-1919) war eine der ersten Zürcher Sekundarlehrerinnen. Vermutlich weil die besondere Beziehung zu ihrer Freundin und Lebensgefährtin Emma Wachter nicht ins Bild der Familie passte, verliess sie Zürich und zog zu Emma Wachter nach Augsburg, wo beide Frauen 22 Jahre lang zusammen wohnten. In dieser Zeit wurde Ida Bindschedler zu einer der wichtigsten Kinderbuchautorinnen der Schweiz. Ihre frühe Jugend beschrieb sie in den berühmten und später verfilmten Bänden "Die Turnachkinder im Winter" und "Die Turnachkinder im Sommer".

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Ernst Ostertag, Mai 2004

Weiterführende Links extern

Caroline Farner

Quellenverweise
1

Regula Schnurrenberger: Texte zur Ausstellung "unverschämt" im Zürcher Stadthaus 2002. Dort sind auch noch etliche andere Frauenpaare erwähnt.