1896
Bundesrat
Erste Botschaft und die Volksabstimmung
Wie homosexuelles Leben gestaltet werden kann, wird von der Gesetzgebung eines Staates zu wesentlichen Teilen mitbestimmt.
1896 veröffentlichte der Bundesrat, gestützt auf den Bericht der Ersten Expertenkommission, eine erste Botschaft zum neuen Strafgesetz.
Mit der Gründung des "Wissenschaftlich-humanitären Komitees" (WhK) in Berlin 1897 wurde der Einfluss Deutschlands auf männliche und weibliche Homosexuelle zumindest in der deutschsprachigen Schweiz von entscheidender Bedeutung. (Die Existenz einer schweizerischen Gruppe des WhK ist 1904 bezeugt, siehe Zweite Expertenkommission.)
Es gab noch keine eigenen Publikationen in der Schweiz und die kleinen schweizerischen Gruppen, von denen ab 1920 in deutschen einschlägigen Zeitschriften sporadisch berichtet wurde, nahmen deutsche Organisationen zum Vorbild. Die Vorstösse im Reichstag zur Abschaffung oder Umwandlung des §175 sind dabei besonders beachtet worden.
1898 stimmte das Volk einer "Verfassungsbestimmung für ein eidgenössisches Strafrecht" zu. Auf diese Weise würden die sehr unterschiedlichen Strafgesetze der einzelnen Kantone vereinheitlicht.
Im Bereich Homosexualität gab es Kantone (Genf, Waadt, Wallis und Tessin) die keinen Gesetzesartikel dazu kannten und andere, bei denen weibliche wie männliche homosexuelle Akte oder nur männliche allein verboten waren und unterschiedlich bestraft wurden. In jedem Fall Zuchthaus schrieb das Gesetz in Luzern und Obwalden vor. Und es gab schon bald den Kanton Basel-Stadt, wo seit dem 10. Juli 1919 praktizierte Homosexualität straffrei war. Allerdings mit dem höheren Schutzalter von 20 Jahren, als bei mann-weiblichen Sexualkontakten. Und im Gegensatz zur weiblichen Prostitution war männliche Prostitution verboten. Trotzdem, der Kanton Basel-Stadt war der erste deutschsprachige Staat, der ein Gesetz ohne Bestrafung homosexueller Akte unter Erwachsenen einführte.
Zur Lage in den einzelnen Kantonen und zum neuen StGB verfasste der Autor "Dr. Zweifel" eine fünfteilige Abhandlung, welche im FB, Schweizerisches Freundschafts-Banner, in den Nummern 1 bis 5/1934 erschien:
"Die Homosexualität im Lichte der einzelnen kantonalen Strafgesetze und des Entwurfes für das neue eidg. Strafgesetzbuch".
Ernst Ostertag, Mai 2004