1847-1915

Caspar Wirz

Theologe und Geschichtsforscher

Bereits 1904 erschien ein Buch mit dem Titel "Der Uranier vor Kirche und Schrift", also zum Thema Kirche und Bibel in Bezug auf den homosexuellen Menschen. Sein Verfasser, der Schweizer Theologe Caspar Wirz, war der einzige nicht-deutsche Obmann des Berliner Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK).

Er liess das erweiterte Werk zwei Jahre später im Verlag Max Spohr, Mitgründer des WhK, neu publizieren. Darin zeigte er, dass die Bibel nicht wörtlich genommen, sondern interpretiert, das heisst dem historischen wie gesellschaftlichen Hintergrund ihrer Aussagen entsprechend gelesen und verstanden werden muss. Er war wohl der erste Theologe, der dies systematisch auf die bekannten Bibelstellen anwandte, welche gleichgeschlechtliche Handlungen verurteilen. Zugleich kritisierte er schärfstens die traditionelle Haltung der Kirche und ihre Handlungsweise.

Der reformierte Caspar Wirz war aber vor allem bekannt und geschätzt als Forscher und Gelehrter auf dem Gebiet alter Urkunden und Dokumente. Seine hauptsächliche Tätigkeit bezog sich auf die Archive des Vatikans und jene der geschichtlich bedeutenden italienischen Städte.

Zunächst aus eigener Initiative, später im Auftrag des Bundesarchivs in Bern gelang es ihm, alle wichtigen Dokumente zur Geschichte der Eidgenossenschaft von Hand zu kopieren (mit geschulten Helfern) und in Kisten nach Bern transportieren zu lassen. Für diese eminent wichtige Arbeit der Zugänglichmachung von Quellen erhielt er 1903 den Titel eines Ehrendoktors der Universität Zürich.

Dies geschah im selben Jahr, in dem die erste Fassung seines theologischen Werkes in Berlin (unter seinem vollen Namen!) erschien. Davon hatte hierzulande offenbar niemand Kenntnis.

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Ernst Ostertag, September 2010