St.Galler Autodidakt

Zitate eines wortgewaltigen Pioniers

1898 veröffentlichte der Heiratsvermittler von Brunnadern, Kanton St. Gallen, J. R. Forster, seine höchst bemerkenswerte, tragische Lebensgeschichte im Selbstverlag in Zürich.

Auf 174 Seiten enthält sie erstaunlich moderne Gedanken zur Emanzipation der Homosexuellen (er nent sie Urninge) und ähnliche Ansätze wie die Schriften von Heinrich Hössli und Karl Heinrich Ulrichs. Die acht unten angeführten Beispiele beweisen, dass Forster, der bis heute kaum bekannt ist, in die Reihe der grossen Pioniere gehört. Von diesem Buch ist im Staatsarchiv des Kantons St. Gallen das einzige noch existierende Exemplar erhalten.

Seite 12

"Ich habe es mir zur Pflicht gemacht, meine Stimme zu erheben, um nach Kräften mitzuwirken gegen 1000-jähriges Unrecht, vollzogen an einer Menschenklasse, die gleich euch berechtigt ist, zu leben."

Seite 14

"Diese Menschenklasse existiert wohl von Anbeginn der Welt und wird existieren, solange es Menschen gibt. Man nannte diese Klasse Sodomiten. [...] Aber wenn Gott damals und jetzt alle Städte und Ortschaften mit der gleichen Strafe heimsuchen würde, wie er es mit der Stadt Sodom getan, so hätte die ganze Welt bis heute in Brand geraten müssen."

Seite 18

"Bei der eintretenden Pubertät fragt sich doch kein Geschöpf: 'Was will ich lieben?' sondern die Natur lehrt, was die Natur in den Körper, in die Seele gelegt. Und das soll niemand bestreiten noch gewaltsam unterdrücken wollen."

Seite 19

"Die Frage nach der Existenzberechtigung der Urninge verlangt eine Lösung und zwar eine versöhnende. Sie verlangt eine solche nicht wegen eines einzelnen Individuums, sondern im allgemeinen öffentlichen Interesse. Stark genug ist die Klasse der Urninge, um ihre Ebenbürtigkeit und Gleichberechtigung geltend zu machen."

Seite 19

"Gestützt auf das Schild der Gerechtigkeit unserer Sache müssen wir es wagen, aus der bisherigen Zurückhaltung und Vereinzelung mutig hervorzutreten! Auf, Genossen. Wir erwarten, dass die Gesetze, welche uns verfolgen, revidiert werden; wir wünschen zu leben, wie uns die Natur lehrt; wir wollen frei sein von Hohn, Verfolgungen und skandalösen Untersuchungen, frei sein von ungerechter Haft, frei sein von jenen Schurken, die uns hetzen, prellen und bestehlen, oft bis aufs Blut aussaugen, oder, wenn wir diesen Menschen nicht nachgeben, diese uns einfach anklagen, wobei ihnen meistens nichts geschieht, wir aber, wir Unschuldigen, geknechtet werden 'von Rechts wegen'."

Seite 20

"Wie viel Unglück könnte man verhüten, wie viele Selbstmorde [...] würden nicht geschehen, wenn man endlich Aufklärung gäbe über unsere angeborene Naturgabe."

Seite 27

"Jedes menschliche Wesen hat den Anspruch, seine Triebe nicht bloss befriedigen zu dürfen, sondern befriedigen zu können, ja, befriedigen zu müssen, welche mit seinem innersten Sein aufs innigste verknüpft, das Sein selbst sind. Wird es daran verhindert, wird ihm dies durch die gesellschaftlichen Einrichtungen oder Vorurteile unmöglich gemacht, so folgt daraus, dass es in der Entwicklung seines Seins gehemmt [...] ist. Was die Folgen davon sind, darüber wissen unsere Ärzte, die Spitäler, Irrenhäuser, Gefängnisse zu erzählen, von den Tausenden gestörten Familienleben zu schweigen."

Seite 30

"Mit welchem Recht, frage ich, wollt ihr zwei Menschen hindern mit Leib und Seele einander anzugehören, um dadurch ihren Anteil zu erlangen an der irdischen Glückseligkeit, wozu doch alle Menschen berufen sind."

Seite 35

"Es ist gewiss edler, menschlicher und christlicher, wenn solchen Menschen erlaubt wäre, den Bund der Ehe schliessen zu dürfen, als dass die Fürsten die Macht haben, zu befehlen, dass die Männer unter Gottes schönem Himmel auf der so herrlichen Erde gleich wilden Tieren einander (im Krieg) zerfleischen und verkrüppeln?!"

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Ernst Ostertag, Januar 2004