Ulrichs und Hössli

In seiner sechsten Schrift, Gladius furens1, - sie enthält die Rede am Juristentag von 1867 in München - schrieb Ulrichs:

"Trotz alledem wollten schwache Sekunden mich beschleichen und eine üble Stimme raunte mir ins Ohr: Noch ist es Zeit zu schweigen [...] du brauchst nur zu verzichten. [...] Dann aber war mir's, als ob eine andere Stimme ihr Flüstern begänne. Das war die Mahnung, mit der vor 30 Jahren mein Vorgänger im Kampfe, Heinrich Hössli in Glarus, sich selber gemahnt hatte, nicht zu schweigen. [...] Ich aber wollte Hösslis würdig sein. Auch ich wollte nicht unter die Hand des Totengräbers kommen, ohne zuvor freimütig Zeugnis abgelegt zu haben für das unterdrückte Recht angeborener Natur, [...]."

In der siebten Schrift, Memnon2, schilderte Ulrichs, wie er von der Existenz Hösslis erfuhr:

"Am 28. Feb. 1866 erhielt ich, von Freundeshand aus der Schweiz mir zugesandt, Heinrich Hössli's Eros; über die Männerliebe; 1836 u. 1838. Das Schicksal hat es nicht gewollt, dass Hössli und ich einander noch die Hände reichten, die wir beide, von einander unabhängig, den gleichen Kampf begannen, die gleiche Herausforderung auf dem Kampfplatz dem Jahrhundert zugerufen haben. Er ist nicht mehr. Doch die Sache, die er im Tode aufgeben musste: schon haben ja meine schwachen Kräfte sie aufgenommen, und andere scharen sich mit mir um die erhobene Fahne. Schon stehen wir mitten im Kampfe. Wohlan, ihr Brüder, vorwärts! [...] Das Buch ist nur noch antiquarisch hie und da in der Schweiz zu haben. In Bern haben wir für unsere gemeinsame Bibliothek die letzten 8 dort vorhandenen Exemplare aufgekauft."

Offenbar hatte Ulrichs Kontakte zu mehreren Persönlichkeiten in der Schweiz. Darunter auch zu Jacob Rudolf Forster, für dessen Freilassung aus dem Gefängnis er sich 1881 in einem wohlbegründeten Schreiben an den Landammann und Regierungsrat des Kantons St.Gallen einsetzte. Dies bereits aus dem Exil; der Poststempel ist von Neapel.

Denn beide, Hössli wie Ulrichs, sind nach Erscheinen ihrer mutigen Schriften von den Mächtigen im Staat wie von der Mehrheit im Volk geächtet, verfolgt und in den wirtschaftlichen Ruin getrieben worden. Ulrichs lebte schliesslich im Abruzzen-Städtchen L'Aquila am Fuss des Gran Sasso. Auf seinem Grabstein steht:

"Exul et pauper" (verbannt und verarmt)

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Ernst Ostertag, September 2006

Weiterführende Links intern

Heinrich Hössli

Jacob Rudolf Forster

Quellenverweise
1

Karl Heinrich Ulrichs: Gladius furens, Kassel, 1868; sie enthält seine Rede von 1867.

2

Karl Heinrich Ulrichs: Memnon, Schleiz, 1868.