Im Visier der Schweizer Polizei und Justiz
Als Josef 20 war, starb sein Vater. Zur selben Zeit (1920/1921) geriet er wegen seines Stricherdaseins ins Visier der Polizei. Im Kanton Zürich galt damals ein Gesetz, das - analog zum deutschen §175 - jede Form homosexueller Betätigung bestrafte. So kam der junge Mann in eine behördliche Maschinerie, der er wehrlos ausgeliefert war. Wegen unzüchtigem Lebenswandel verwies man ihn 1921 des Landes. Doch was sollte er in seiner völlig fremden "Heimat" Österreich? Er kehrte in die Schweiz zurück und lebte weiter wie zuvor, bis ihn die Polizei aufgriff. "Wiederbetretung der Schweiz" hiess jetzt der Grund der erneuten Abschiebung. Dieses Spiel wiederholte sich mehrfach bis ihn die Polizei 1925 ins Gefängnis steckte. Nun erliess man einen begründeten Landesverweis: "Er ist ein unverbesserlicher arbeitsscheuer Taugenichts, der als Strichjunge ein lasterhaftes Leben führt und sich in ekelhafter Weise den Homosexuellen zur Unzucht hingibt."
Am 7. Februar 1937 setzte ihn die Zürcher Kantonspolizei in Untersuchungshaft mit der Begründung, der Handlanger Traxl habe die Ausweisung zum vierten Mal missachtet. Er war also mehrmals illegal zurückgekehrt, was die Juristensprache Bannbruch nannte. In Untersuchungshaft forderte man ihn auf, seinen Lebensbericht zu verfassen. Einen Monat später beschloss das Eidgenössische Justiz und Polizeidepartement (EJPD) die Unterbringung in der Zürcher Strafanstalt Regensdorf. Dieser Aufenthalt löste bei Josef eine psychische Krise aus. Am 4. Mai schrieb er in einem Brief, er fühle sich seelisch angegriffen und habe Teile seines Lebenslaufs "in einer Art von Sinnesverwirrung" verfasst, als er von "immer wieder in mein Heimatland in die Schweiz kommen" geschrieben habe; er werde vielmehr nach der Freilassung und Verbannung "die Schweiz niemals mehr betreten".
Ernst Ostertag, Dezember 2020